Neufassung Paragraf 28 Wie der Staat künftig mit IS-Kämpfern umgehen will
Berlin · Die Bundesregierung ist sich nun einig, wie der Staat künftig mit IS-Kämpfern bei doppelter Staatsangehörigkeit umgehen soll. Doch die Union grollt weiter.
In der Union ist man wegen des Umgangs mit deutschen IS-Terroristen immer noch sauer auf den Koalitionspartner SPD, namentlich auf den früheren Justizminister Heiko Maas und dessen Nachfolgerin Katarina Barley. Ohne das „jahrelange Zögern“ der beiden, hätten neue Reglungen „lange schon in Kraft sein können“, so CDU-Innenexperte Mathias Middelberg zu unserer Redaktion.
Schon 2016, erklärte am Montag das Bundesinnenministerium, habe man einen Entwurf eingebracht, um jenen, die sich einer Terrormiliz wie dem sogenannten „Islamischen Staat“ anschließen und eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, die deutsche zu entziehen. Doch seitdem habe das Vorhaben auf Eis gelegen. Nun soll die Umsetzung erfolgen, freilich viel zu spät, wie die Union kritisiert. Denn die Gesetzesänderung wird nicht die betreffen, die bisher in Syrien und anderswo für den IS gekämpft haben. „Dass dies nicht rückwirkend möglich ist, ist bedauerlich, aus rechtsstaatlichen Gründen aber hinzunehmen“, so Middelberg.
Das Grundgesetz verbietet den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit. Dieser Passus ist auch eine Reaktion auf massenweise Ausbürgerungen durch die Nationalsozialisten. Zugriff hat der Staat daher nur bei Menschen, die zwei Staatsbürgerschaften haben. In dem Fall wiederum erlaubt es das Grundgesetz, den deutschen Pass dann einzuziehen, wenn die Person sich der Armee eines anderen Staates angeschlossen hat. Rein rechtlich fällt eine Terrormiliz wie der IS jedoch nicht darunter, zumal niemand den IS als Staat anerkennt. Dies Einschränkung soll nun mit dem Gesetzentwurf geändert werden.
Sowohl das Justiz- als auch das Innenressort bestätigten gestern eine Einigung bei der Neufassung des Paragrafen 28 im Staatsangehörigkeitsrecht. „Es ist geplant, einen Tatbestand einzuführen, nach dem deutsche Mehrstaatler, die an Kampfhandlungen für eine Terrormiliz teilgenommen haben, die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren“, so eine Sprecherin von Innenminister Horst Seehofer (CSU). Voraussetzung ist laut Gesetzentwurf: Der- oder diejenige muss 18 Jahre alt sein.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen könne die Regelung nur für die Zukunft gelten, ergänzte die Sprecherin. Es gilt das generelle „Rückwirkungsverbot“. Die Regierung hofft aber auf ein Signal an künftige Dschihadisten, „dass über die Strafbarkeitsregelungen hinaus der Verlust der Staatsangehörigkeit droht, wenn man sich einer Terrormiliz anschließt“. Kurzum: Die Regelung, die „zeitnah“ umgesetzt werden soll, soll präventiv und abschreckend wirken.
Die Debatte über den Plan ist damit aber nicht beendet. Viele Aspekte sind noch offen. Was ist zum Beispiel, wenn der andere Staat nach dem sogenannten „Windhundprinzip“ dem Betroffenen schneller die Staatsangehörigkeit entzieht? Wird der Kämpfer dann staatenlos? Müssen Gerichte über den Entzug entscheiden, wie verläuft die Prüfung, ob die Person tatsächlich an Kampfhandlungen teilgenommen hat? Und spielt es eine Rolle, in welcher Reihenfolge die Staatsbürgerschaft erworben wurde?
Zu alldem gab es am Montag noch keine Auskunft. Für die Opposition ist das Vorhaben deshalb völlig unausgegoren: „Die ganze Welt fragt uns, was mit den deutschen IS-Kämpfern in ausländischen Gefängnissen geschieht und dieser Bundesregierung fällt nichts anderes ein, als ein Gesetz über ungelegte Eier zu formulieren“, ätzte FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser.
Und die Grüne Irene Mihalic sagte auf Nachfrage: „Der deutsche Staat kann sich der Verantwortung für seine Staatsbürger nicht einfach entziehen, auch und gerade wenn sie hochkriminell und gefährlich sind.“ Der Rechtsstaat sehe dafür das Instrument der Strafverfolgung hierzulande vor.