Check Pillen im Netz ordern — oder lieber zur Apotheke?

Apotheker kritisieren das „Rosinenpicken“ der Konkurrenz im Netz. Und erklären, was sie besser können.

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Solingen. Es sieht nicht aus wie ein fester Plan. Eher wie der vorsichtige Versuch, den Apotheken im Kampf gegen Internetversender rezeptpflichtiger Medikamente den Rücken zu stärken. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es: „Um die Apotheken vor Ort zu stärken, setzen wir uns für ein Verbot des Versandhandels ein.“

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Für Christian Veithen muss eben das geschehen. Veithen ist Chef der St. Michael Apotheke in Solingen, einer von 39 Apotheken in der Stadt. Für ihn ist ein solches Verbot dringend notwendig, da durch die Konkurrenz des Internet-Versandhandels, die sich „die Rosinen aus dem Kuchen pickt, das gesamte Preisgefüge eingerissen wird“. Und dann könne irgendwann die Apotheke vor Ort für die Kunden nicht mehr das leisten, was sie heute mit ihrer oft umfangreichen Beratung anbietet.

Anders als die Versandapotheken seien die stationären Apotheken verpflichtet, für die Kunden, die dringend ein Medikament brauchen, Nacht- und Notdienste zu leisten. „Allein für unsere Apotheke sind das neun bis zehn Notdienste pro Jahr“, sagt Veithen. Im Notfall, in dem ein Patient ein dringend benötigtes Medikament ganz schnell brauche, helfen Versandapotheken nicht weiter. Und in Fällen, in denen die Kunden nicht mobil seien, leiste seine Apotheke durchaus schon mal einen Medikamenten-Bringdienst.

Auch gäben sich die Versandapotheken nicht damit ab, individuell vom Arzt verordnete Rezepturen herzustellen. Veithen führt in den hinteren Bereich seiner Apotheke, in dem man zwei Mitarbeiterinnen hinter eine Glastür beobachten kann —, mit Plastikhauben auf dem Kopf und unter strengen Hygienebedingungen rühren sie etwas an. Da geht es etwa um vom Hautarzt individuell verschriebene Salben oder vom HNO-Arzt für den Patienten individuell zusammengestellte Lösungen. Dieser Teil der von der Apotheke angebotenen Leistung binde täglich etwa eine Arbeitskraft. Solch Personalaufwand entfalle bei der Versandapotheke. Ebenso wie das Vorhalten von Betäubungsmitteln in einem extra gesicherten Panzerschrank und die dafür vorgeschrieben penible Dokumentation: Welche Betäubungsmittel wann in welcher Größenordnung an wen abgegeben wurden.

Vor allem, so betont Kreisvertrauensapotheker Veithen, leisteten die Apotheken vor Ort etwas, das die Versandapotheken so gar nicht könnten: individuelle Beratung der Kunden. „Diese kommen oft mit Fragen, die sie dem behandelnden Arzt mit Blick auf das verschriebene Medikament nicht gestellt haben oder aus Zeitmangel nicht stellen konnten.“

Jutta Ploß, bei Veithen angestellte Apothekerin, schildert einen Fall, den sie gerade erst erlebt hat: „Da kam ein Mann, dessen Gerät zur Blutgerinnungsmessung nicht funktionierte. Und da habe ich mehr als 20 Minuten mit dem Hersteller telefoniert, um ihm zu helfen.“ Ein Service, den ihr niemand vergütet.

Worauf die Menschen verzichten müssten, wenn sie solche individuelle Beratung nicht mehr bekämen, dafür hat die Apothekerin noch weitere Beispiele: Wenn Mütter mit ihren kranken Kindern kommen, sei das immer wieder ein hoher Sprechbedarf. „Und auch mit Blick auf Erwachsene, die meinen, mit einer Selbstmedikation und einem verschreibungsfreien Medikament ihr Leiden in den Griff zu bekommen, haben wir eine Filterfunktion. Da ist es oftmals wichtig, wenn wir dem Kunden sagen, dass er sich umgehend in ärztliche Behandlung begeben soll.“ All das werde in der Diskussion um Internetapotheken in der Öffentlichkeit zu wenig gewürdigt, sagt Ploß. „Das leistet keine Versandhandelsapotheke.“

Ihrem Chef fällt ein weiteres Beispiel ein. „Wenn ein Mann im Versandhandel etwa das Potenzmittel Cialis bestellt — da ist kaum gewährleistet, dass er auf mögliche Folgen wie Herzbeschwerden hingewiesen wird. Wir aber kennen oft unsere Kunden, und damit auch deren mögliche Herzprobleme und können individuell auf sie eingehen. Ebenso wie auf die Risiken wechselwirkender Medikamente.“

Und was sagt Apotheker Veithen dazu, dass nicht nur Internetversandhändler aus dem Ausland, sondern durchaus auch Versandhändler im Inland, betrieben von seinen eigenen Kollegen, Kundenwünsche via Internet bedienen? Schließlich haben von den rund 20 000 Vor-Ort-Apotheken 3000 eine Versandhandelserlaubnis, etwa 150 davon betreiben einen echten Webshop. Veithen dazu: „Zum einen gilt für diese Inland-Versandhändler anders als für die Versandhändler aus dem Ausland die Preisbindung. Und zum anderen müssen sie ja auch immer eine Vor-Ort-Apotheke vorhalten und sind den strengen Regeln des deutschen Rechts unterworfen.“