Röslers Jungfernrede im Bundestag

36-jähriger Minister will das Gesundheitssystem umkrempeln.

Berlin. Es schien, als wären dem neuen Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) Zementsäcke von den schmalen Schultern gefallen. Nach seiner Jungfernrede im Bundestag sackte die liberale Nachwuchshoffnung in den Stuhl und atmete sichtlich durch.

Zehn Minuten lang hatte Rösler für die Reform des Gesundheitswesens und eine geänderte Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung mit einer Kopfprämie für die Versicherten geworben. Ins Detail ging Rösler dabei nicht. Auf Zeit zum Verschnaufen oder Welpenschutz braucht der 36-Jährige dabei nicht zu hoffen.

Die Opposition feuerte schon am Donnerstag aus vollen Rohren gegen die schwarz-gelben Reformpläne und den FDP-Minister. "Sie sind schon gescheitert, bevor Sie überhaupt begonnen haben", wetterte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner und geißelte den jüngsten Bundesminister im Kabinett als "Sicherheitsrisiko für den Sozialstaat".

Tatsächlich birgt die Gesundheitsreform so viel Zündstoff wie derzeit kaum ein anderes Thema. Zur Hauptbaustelle Röslers gehört die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Bis 2011 soll eine Kommission prüfen, wie der Staat die Gesundheitskosten von den Lohnzusatzkosten entkoppeln kann, um Arbeitgeber nicht stärker zu belasten.

Die Idee: Arbeitgeber zahlen wie bisher sieben Prozent in den Gesundheitsfonds, der Betrag wird eingefroren. Den Rest übernimmt der Arbeitnehmer. Für diesen ist ein einkommensunabhängiger Zusatzbeitrag im Gespräch, eine Kopfprämie. Der Plan ist auch innerhalb der Koalition umstritten.

Mit leiser, aber fester Stimme bekräftigte Rösler, dass er den Arbeitgeberanteil deckeln will und befürwortete den einkommensunabhängigen Arbeitnehmerbeitrag. Diesen will Rösler über einen Ausgleich im Steuersystem finanzieren.

"Es wird in jeder Gesellschaft einen Ausgleich geben müssen zwischen Arm und Reich, aber eben nicht im Gesundheitssystem", sagte der Amtsnachfolger von Ulla Schmidt (SPD) und forderte einen "freien und fairen Wettbewerb" in der Krankenversicherung.

Zudem machte Rösler klar, dass der Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung länger dauern werde als die Wahlperiode. "Aber trotzdem muss man den Mut haben, in dieser Legislaturperiode damit zu beginnen."

SPD-Vize Ferner legte Rösler einen anderen Arbeitsschritt nahe: "Sie sollten den Koalitionsvertrag auf den Müll werfen", sagte Ferner und kritisierte die neue Gesundheitspolitik als "grundlegend falsch". So werde das Prinzip der paritätischen Versicherung aufgegeben.

Die Gesundheitsexpertin der Linken, Martina Bunge, sagte, die Regierung wolle ein "Zwei- oder Dreiklassensystem" etablieren. Birgitt Bender von den Grünen nannte die geplante Kopfprämie "eine Abwrackprämie für das Solidarsystem".

Auch der Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) hält von den Reformplänen wenig. Er befürchtet, dass auf die Rentner höhere Krankenkassenbeiträge zukommen. Dies wäre der Fall, wenn der Bund für die Rentenversicherungsträger ebenfalls einen festen GKV-Beitragsanteil festschreibt - wie für die Arbeitgeber. Dann müssten die Rentner einen Beitragsanstieg im Wesentlichen tragen, sagte DRV-Präsident Herbert Rische.