Ruf nach „zentraler Seuchen-Polizei“ wird lauter

Berlin/Straßburg (dpa) - Wegen ständig neuer Rückschläge bei der Suche nach dem Erreger der EHEC-Darminfektion wird der Ruf nach einer „zentralen Seuchen-Polizei“ lauter.

Auf scharfe Kritik stieß das deutsche Krisenmanagement zur Eindämmung der EHEC-Epidemie im EU-Parlament in Straßburg. Aber auch die Europäische Union (EU) hat nach Ansicht zahlreicher Parlamentarier zu langsam reagiert und sollte die Lehren aus dieser Krise ziehen - „schnell und effizient“.

„Für besonders gefährliche Keime brauchen wir eine mobile Eingreiftruppe“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zu „Bild.de“. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, forderte „den Umbau des Robert-Koch-Instituts (RKI) zur zentralen Seuchen-Polizei in Deutschland“.

Lauterbach will dazu die RKI-Spezialisten mit allen Kompetenzen und dem Recht ausstatten, wie die Bundeswehr „Reservisten“ heranzuziehen, etwa Spezialisten von Universitäten. Auch Wendt forderte für das RKI „mehr Geld, mehr Personal und mehr Kompetenzen“. Seuchenbekämpfung dürfe nicht länger Ländersache sein, sondern müsse zentral auf Bundesebene koordiniert werden. „Es kann nicht sein, dass jeder Landesminister etwas anderes sagt und dadurch (...) ganze Industriezweige an den Rand des Ruins geführt werden und die Verbraucher am Ende total verunsichert sind.“

Der Vorsitzende des Bundestags-Verbraucherausschusses, Hans- Michael Goldmann (FDP), sprach sich für eine Bündelung der wissenschaftlichen Kompetenzen von Robert-Koch-Institut (RKI), Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie Bundesinstitut für Risikobewertung in einer einzigen Institution. In der aktuellen Gefahrensituation um den Darmkeim sei „diese Art von Föderalismus nicht mehr zeitgemäß“, sagte Goldmann im SWR.

In den Augen vieler EU-Parlamentarier fehlt in Deutschland eine klare Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern. In den USA gebe es eine zentrale Seuchenbekämpfungsbehörde, sagte die Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, Rebecca Harms. Weder Deutschland noch die EU seien auf diese EHEC-Krise vorbereitet.

Die CSU verwahrte sich gegen voreilige Kritik am Krisenmanagement in Bund und Ländern. Es sei unabhängig von den aktuellen Vorgängen zu prüfen, ob eine zentrale Zuständigkeit bessere Ergebnisse erbracht hätte. In diesem Fall zeigte sich CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt offen für Änderungen. Doch aktuell helfe „das Verschieben von Kompetenzen so schnell nicht weiter“, sagte sie. Es spreche zudem vieles dafür, dass vor Ort mehr kontrolliert werden könne.

Auch der Verband der Universitätskliniken Deutschlands (VUD) forderte die Bündelung der Kompetenzen beim Bund. Nur mit zentral organisiertem Krisenmanagement könnten Epidemien optimal bekämpft werden. Dass auch eine konzertierte Aktion von regionalen, Landes- und Bundeseinrichtungen nicht effektiv sei, zeige sich aktuell. „Epidemien machen nicht vor Ländergrenzen Halt und erfordern einen raschen Durchgriff“, sagte VUD- Generalsekretär Rüdiger Strehl.

EU-Gesundheitskommissar John Dalli warnte vor vorschnellen Informationen durch Behörden. Infektionsquellen sollten nicht angegeben werden, solange diese nicht durch wissenschaftliche Untersuchungen belegt seien. Auch Dalli plädierte für effizientere Warnsysteme. „Im Binnenmarkt müssen wir schnell und entschieden reagieren, die Kommunikationswege müssen schnell und flexibel gestaltet werden“, sagte der EU-Kommissar.

Zur Aufarbeitung der Vorgänge haben die Grünen eine Aktuelle Stunde im Bundestag beantragt. „Das EHEC-Krisenmanagement dieser Regierung ist miserabel, es findet schlecht oder gar nicht statt“, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Die EHEC-Seuche hat bislang 22 Opfer in Deutschland gefordert. Nach Negativbefunden bei spanischen Gurken und Sprossen aus Deutschland wird weiterhin fieberhaft nach dem Verursacher gesucht.