In der dritten Welle Saarland startet trotz Warnungen mit Öffnungsmodell

Saarbrücken · Der saarländische Ministerpräsident verteidigt die Lockerungen in seinem Bundesland - und stellt sich damit gegen die Linie von CDU-Chef Laschet.

Das Saarland öffnet - trotz großer Kritik - zum Beispiel in Restaurants und Cafés wieder.

Foto: dpa/Harald Tittel

Es war im wahrsten Sinne des Wortes ein verhagelter Auftakt. Das Wetter wollte im Saarland so gar nicht mitspielen, nur ein paar Grad über Null und eisiger Wind. Passend zur Stimmungslage in der Landeshauptstadt Saarbrücken. Dort traf das teils heftig umstrittene Corona-Modellprojekt auf gemischte Gefühle.

Seit diesem Dienstag sind für alle Saarländer die Außengastronomie, Fitnessstudios Theater und Kinos wieder geöffnet - Zugangsvoraussetzung ist ein negativer Corona-Test. Das Saarland ist damit das einzige Bundesland, das bislang einen so flächendeckenden Öffnungsschritt wagt - mitten in der dritten Pandemie-Welle. Auch unter den Einheimischen finden das nicht alle gut. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans verteidigt sein Modell gegen alle Widerstände - auch am Dienstag bekräftigte der CDU-Politiker, dass die Lockerungen konform seien mit den geltenden Beschlüssen von Bund und Ländern. Auch wenn in diesen eigentlich nur von „ausgewählten Regionen“ die Rede ist, und nicht gleich von ganzen Bundesländern.

Viele Saarländer freut es trotzdem. Am Öffnungstag sind die Testzentren gut besucht. Die Café-Terrassen wohl nur wetterbedingt eher weniger: In einem beliebten Saarbrücker Restaurant an der Flusspromenade ist ein Fernsehteam zunächst der einzige Gast, bis sich eine unerschrockene ältere Dame doch noch an einen der leeren Tische traut. Der vorgezeigte Schnelltest und ein ausgefülltes Formular mit Personalien ist die Voraussetzung für den Kaffee unter Hagel-Körnern. „Wir hoffen, dass wir so wenigstens ein wenig arbeiten können“, sagt eine junge Kellnerin.

Dennoch: Die Verunsicherung ist groß. Wie der Hotel- und Gaststättenverband in der Region per Umfrage ermittelt hat, wollen knapp 60 Prozent der Mitglieder mit einer Öffnung noch warten: Weil es sich wirtschaftlich nicht lohne oder aus organisatorischen Gründen, heißt es. Auch in den Kultureinrichtungen ist die Lage durchwachsen. Während Theaterkarten schon am Dienstagvormittag vergriffen sind, bleiben Kinos teilweise geschlossen. In den Fitnessstudios herrschte am Dienstag vielerorts Erleichterung und Vorfreude aufs Training.

Während das Saarland wieder öffnet, werden in Berlin die Rufe nach einem sofortigen Lockdown lauter. Die Inzidenzwerte steigen, Wissenschaftler warnen vor überlasteten Krankenhäusern und anderen Folgen der dritten Pandemiewelle. Tobias Hans bekommt heftigen Gegenwind - auch aus der eigenen Partei.

Erst kürzlich machte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Talk-Sendung „Anne Will“ deutlich, dass sie Öffnungen zu diesem Zeitpunkt für den falschen Weg hält. Am Ostermontag forderte dann der zunächst ebenfalls von der Kanzlerin gerügte CDU-Chef Armin Laschet einen „Brücken-Lockdown“, der so schnell wie möglich greifen müsse. Außerdem müssten die für kommenden Montag angesetzten Bund-Länder-Beratungen über das weitere Vorgehen in der Pandemie vorgezogen werden, forderte Laschet - und traf dabei auf ein geteiltes Echo.

Aus dem Saarland kam am Dienstag keine Unterstützung für den Parteichef. Ein Vorziehen der Bund-Länder-Runde hält Hans nicht für angezeigt.

Indes äußerte sich der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Dienstag besorgt über das Vorgehen im kleinsten Flächenland. Lockerungen seien in der verschärften Pandemie-Situation ein falsches Signal, nötig sei vielmehr ein „harter Lockdown“ mit mehr staatlichen Beschränkungen, sagte er im RTL/ntv-„Frühstart“.

Steigende Inzidenzzahlen und die Sorge, alle Lockerungsmaßnahmen würden wieder zurückgenommen, beschäftigen auch viele Menschen im Saarland. Die Wirtin einer Saarbrücker Traditionskneipe spricht von einem „Damoklesschwert“, das über den Gastwirten schwebe.

Ganz unberechtigt ist diese Sorge nicht: Die Öffnungen sind nach dem Beschluss der Regierung erst einmal nur bis zum 18. April angesetzt und in dieser Form nur erlaubt, solange die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern binnen einer Woche, stabil unter 100 liegt. Steigt die Inzidenz an drei Tagen über 100, greift ein Ampelsystem - mit einer dann ausgeweiteten Testpflicht (gelb) unter anderem für den Einzelhandel. Wenn eine Überlastung des Gesundheitswesens droht, soll die Notbremse (rot) gezogen werden: Die Öffnungen werden kassiert, es folgt ein Lockdown. Wann und wie genau, ist unklar. Es gebe für das Greifen der Notbremse keine festen Obergrenzen, man analysiere die Lage täglich, heißt es aus der Staatskanzlei. Am Dienstag lag der Inzidenzwert im Saarland bei 86.

(dpa)