Steinmeier: Dem Krieg ganz nah

Aber diese Woche schon will Deutschland die ersten Grenzexperten von Zoll und Bundespolizei schicken, um den Ägyptern "modernes Grenzmanagement" beizubringen.

Rafah (dpa) - An diesem Abend in Rafah ist der Krieg für Frank-Walter Steinmeier ganz nah. So nah wie noch nie in den drei Jahren, die er nun schon Deutschlands Außenminister ist. Es sind 500 Meter, vielleicht ein bisschen mehr. Aber viel weiter ist es nicht bis zu der Stelle auf der anderen Seite des Grenzübergangs, nicht mehr in Ägypten, sondern im Gazastreifen - dort, wo soeben ein israelischer Kampfjet seine Bombe abgeladen hat.

Auf dem Dach des Abfertigungsgebäudes ist die Wucht des Einschlags bis in die Magengrube zu spüren. Die Druckwelle lässt die Scheiben erzittern. Dann steigt ein roter Feuerpilz auf und eine schwarze Rauchwolke. Für den Minister, der sich hier oben gerade von einem Grenzkommandeur die Lage erklären lässt, eine völlig neue Erfahrung. Auch Steinmeier kennt den Krieg bislang nur aus dem Fernsehen.

Steinmeier bleibt trotz Bombenangriffs gelassen

Anmerken lässt er sich trotzdem nichts. Nach kurzer Pause darf der Grenzer seinen Vortrag fortsetzen. Eine Weile später stellt Steinmeier in seinem Anzug - mit Krawatte, ohne Schutzweste - nüchtern fest: "Natürlich spüren und hören wir, dass da hinten noch gekämpft wird. Es sind eben nicht nur Bilder. Es sind Tote und Verletzte."

Nun ist es auch nicht so, dass der deutsche Außenminister in großer Gefahr gewesen wäre. Die Israelis achten bei ihren Angriffen entlang des 14 Kilometer langen Grenzstreifens auf dem Sinai genauestens darauf, dass ihre Geschosse keinesfalls über dem ägyptischen Teil von Rafah niedergehen, sondern immer nur auf der palästinensischen Seite. Dort, wo sie Einrichtungen der radikalen Hamas treffen und das gigantische Tunnelsystem, durch das neben vielen anderen Sachen auch Waffen einschmuggelt werden.

Aber auch ohne den Einschlag hätte Steinmeier bei seinem einstündigen Besuch in Rafah ein ganz gutes Bild davon bekommen, was Krieg bedeutet: Immer wieder fahren ägyptische Krankenwagen vor, um Verletzte aus dem ansonsten streng abgesperrten Gazastreifen in Empfang zu nehmen. Mit Blaulicht geht es dann 40 Kilometer weiter ins nächste Provinzkrankenhaus. Mehr als 30 solcher Transporte, so erzählt ein Grenzer, waren es an diesem Tag.

Hier merkt jeder sofort, dass trotz UN-Resolution eine Waffenruhe für die eineinhalb Millionen Gaza-Palästinenser noch fern ist. Und ein echter Waffenstillstand noch viel weiter. Auch Steinmeier lässt sich auf keine Prognose ein, wie lange die Kämpfe wohl noch dauern werden. Die Waffenruhe vorbereiten kann man ja trotzdem schon.

Deutschland für Kleinarbeit zuständig

Dafür ist der Minister, nach viel Telefon-Diplomatie, an diesem Wochenende zum ersten Mal in den Nahen Osten gefahren. Andere Europäer waren schneller - allen voran Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Dass damit der Eindruck entsteht, die anderen seien für das ganz große Ganze zuständig und die Deutschen dann für die Kleinarbeit, nimmt er in Kauf. Immer wieder mahnt er einen "Arbeitsplan" an, um zu einer Waffenruhe zu kommen.

Die Deutschen haben sich insbesondere zum Ziel gesetzt, den Waffenschmuggel zu unterbinden. Auch dafür ist Rafah ein guter Anschauungsort. Hier unter der Stadt verläuft ein weitverzweigtes Tunnelsystem, über das Nachschub aller Art in den Gazastreifen gebracht wird - bis hin zu den Raketen für die Hamas. An die 800 Tunnel gibt es hier, einige davon kilometerlang. Damit lässt sich gut Geld verdienen.

Das Ende dieser "Tunnelwirtschaft" ist nach allgemeiner Einschätzung eine der Voraussetzungen für einen sicheren Waffenstillstand. Irgendwann wird dazu wohl eine internationale Beobachtertruppe vonnöten sein. Wann das sein könnte, weiß keiner genau.

Aber diese Woche schon will Deutschland die ersten Grenzexperten von Zoll und Bundespolizei schicken, um den Ägyptern "modernes Grenzmanagement" beizubringen. Am Sonntag machte sich schon ein Staatssekretär im Innenministerium auf den Weg nach Kairo. Auch das gehört zum großen Friedensplan dazu. Oder wie Steinmeier sagt: "Einer muss ja die Arbeit machen."