Strafe für Schulverweigerung
Kinder müssen zur Schule gehen. Wenn die Eltern ihren Sprösslingen das verwehren, kann das Haft bedeuten, sagen die Verfassungsrichter.
Berlin. Seit vielen Jahren kämpfen die Eltern für ihre neun Kinder gegen die staatliche Schulpflicht. Das religiöse Paar aus Nordhessen zog durch alle Instanzen. Bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe führte sie ihr Weg. Dort scheiterten die beiden, für die schulischer Sexualunterricht einer früheren Aussage des Mannes zufolge ethischer „Schmutz“ ist.
„Auch harte Strafe darf sein“, könnte man den gestern veröffentlichten Beschluss des Gerichts zusammenfassen. Denn die Verfassungsrichter bestätigten eine strenge Norm im Hessischen Schulgesetz als verfassungsgemäß (Az.: 2 BvR 920/14).
Die Landesregelung sieht vor, dass hartnäckige Schulverweigerer-Eltern mit bis zu sechsmonatiger Haft oder hoher Geldstrafe belegt werden können. Eine derartige Bestrafung ist dem Gericht zufolge auch dann rechtens, wenn das Kindswohl durch das „Homeschooling“ nie gefährdet war. Die fünf ältesten Kinder, die auch zu Hause unterrichtet worden waren, haben die staatlichen Haupt- oder Realschulabschlüsse mit guten Noten abgeschlossen und Berufsausbildungen etwa im Handwerk oder in der Verwaltung absolviert.
Selbst mehrere Geldstrafen konnten die Eltern nicht von ihrem Weg abhalten. Beim Verfassungsgericht ging es nun um die drei jüngeren Mädchen. Eine von ihnen hat unlängst den Realschulabschluss mit der Note „Sehr gut“ bestanden, wie Andreas Vogt erzählt, der Anwalt der Familie.
Dass das Kindswohl nicht gefährdet gewesen war, erkannten zwar auch die Instanzgerichte an. Das Verfassungsgericht betont aber, dies „vermag nichts an der Verpflichtung zu ändern, die Kinder an dem Unterricht einer Schule teilnehmen zu lassen“. Bestrafung trotz erfolgreichen Heimunterrichts?
Anwalt Vogt macht das fassungslos: „Ob aber das Strafrecht in einem solchen Fall die angemessene Reaktion ist, darf man weiterhin getrost bezweifeln“, sagt er. Für ihn ist das eine „Basta-Entscheidung“. Das Königsargument des Gerichts: Toleranz. Schule verlangt enorme Anpassung - für Eltern wie Kinder. Um diese Fähigkeit, sich mit anderen Menschen mit fremden Haltungen, Ansichten und Gewohnheiten auseinanderzusetzen, um das „sich-einfügen-können“, geht es den Richtern. Selbst ein erfolgreicher Hausunterricht schaffe es nicht, dass Kinder im Klassenverbund nachhaltig Toleranz lernten, so ihr Credo. Auch Angehörige von Minderheiten würden so nicht integriert.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geht den Weg der harten Hand von Gerichten gegen Schulverweigerer-Eltern konsequent weiter: In vielfachen Fragestellungen hat es in den letzten Jahren mehrfach gegen Paare entschieden. 2013 scheiterten Eltern beim Bundesverwaltungsgericht (Az.: 6 C 12.12) mit dem Versuch, ihren Sohn vor einer Filmvorführung des Buches „Krabat“ von Ottfried Preussler zu schützen. 2007 billigte der Bundesgerichtshof den teilweisen Sorgerechtsentzug für Schulverweigerer-Eltern .