Rechtsruck in Deutschland Trittin: "Wir müssen Haltung zeigen"
Grünen-Politiker Jürgen Trittin sieht einen Rechtsruck in Deutschland
Berlin. Ex-Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) sieht in den Landtagswahlergebnissen einen allgemeinen Rechtsruck und fordert von seiner Partei "Haltung". Mit dem 61jährigen Bundestagsabgeordneten sprach unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff.
Frage: In Baden-Württemberg sind die Grünen Volkspartei, in den beiden anderen Ländern erreichten sie nur knapp über fünf Prozent. Wie erklärt sich so eine Spreizung?
Antwort: Das Gemeinsame ist, dass es in Deutschland jetzt durchgehend Mehrheiten rechts der Mitte gibt. Es ist uns nicht gelungen, grün-rote oder rot-grüne Mehrheiten zu verteidigen, die wir vorher erobert hatten. Das politische Klima in diesem Land hat sich mit diesen Wahlen ein Stück nach rechts verschoben. Mit der Zweistelligkeit einer rechtspopulistischen Partei ist Deutschland leider in der traurigen Normalität der großen europäischen Staaten angekommen.
F.: Ist Rot-Grün tot, auch auf Bundesebene?
A.: Es hat im rot-grünen Lager eine Kannibalisierung des jeweils kleineren Koalitionspartners stattgefunden, der SPD in Baden-Württemberg, der Grünen in Rheinland-Pfalz. In der Summe hat man verloren - wie es im Bund 2013 auch nicht für eine rot-grüne Mehrheit gereicht hat. Alle Parteien stehen vor der Herausforderung, wie man lagerübergreifende Koalitionen bilden kann. In Rheinland-Pfalz wohl eher mit der FDP, in Baden-Württemberg ist es offen.
F.: Dort könnten es die Grünen mit der CDU versuchen, sogar als stärkere Partei. Reizvoll?
A.: Wir stehen dort vor einer komplizierten Regierungsbildung. Winfried Kretschmann hat grandios gewonnen und nun zwei Optionen. Eine der Botschaften des Wahlwochenendes ist, dass die Mehrheitsbildungen schwieriger werden.
F.: Wie sollen die Grünen eigentlich damit umgehen, dass rund 20 Prozent der Wähler mit dem Flüchtlingszustrom nicht klar kommen und Angst vor Überfremdung haben.
A.: Ich würde die Haltung der meisten der AfD-Wähler nicht mit Angst beschreiben. Da ist schon Aggression drin, um nicht zu sagen Hass. Das aggressive Abgrenzen nach unten, die Verteidigung der eigenen Privilegien, das ist der Kern. Wir tun uns alle keinen Gefallen, ein offensichtlich von solchen Haltungen geprägtes Wahlverhalten als Protestwahl zu verniedlichen nach dem Motto: In Deutschland gibt es keine Rechten, es gibt nur Protestwähler. Nein, da haben Leute bewusste eine rechte Partei gewählt. Die Grünen müssen hier Klartext reden und Haltung zeigen. Nur so kann man dem Rechtsrutsch begegnen.
F.: Schon bei der nächsten Abstimmung im Bundesrat über Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsländer stehen die Grünen vor der Frage, welche Haltung sie haben.
A.: Unsere Bundestagsfraktion hat sich dazu klar positioniert. Diese Länder sind keine sicheren Herkunftsländer.
F.: Winfried Kretschmann dürfte das wie schon im Fall der Balkanstaaten anders sehen. Ist sein Pragmatismus nicht erfolgsversprechender als grüne Multi-Kulti-Ideologie?
A.: Die Grünen haben die Zeiten blanker Ideologie schon lange hinter sich gelassen. Wir haben sieben Jahre im Bund regiert und regieren in vielen Ländern. Wir müssen da nichts mehr beweisen, wir organisieren Integration samt aller damit verbundenen Konflikte.