In Handschellen zum Verhör Wenn der Türkeiurlaub am Flughafen zum Alptraum wird
Düsseldorf. · Die Türkei erlebt einen Rekordansturm von Touristen. Doch immer wieder berichten Deutsche von Problemen bei der Ein- und Ausreise – wie Ramin M. aus Mettmann.
Ein erholsamer Urlaub in der Türkei nach seiner Diplomarbeit endete für den Mettmanner Ramin M. (38) in Handschellen. Am Flughafen wurde der deutsche Staatsbürger nach eigenen Angaben wohl verwechselt und über eine Stunde aggressiv verhört – für den Mann aus Nordrhein-Westfalen ein nachhaltiger Schock. Immer wieder berichten Deutsche von Problemen bei der Türkeireise, sogar von Einreiseverweigerungen. Der „Spiegel“ schrieb jetzt über den deutschen Urlauber Hüseyin M., der seit mehr als einem Monat in der Türkei in U-Haft sitze, weil er Erdogan vor Jahren auf Facebook beleidigt haben soll. Dennoch erlebt das Reiseland bei deutschen Urlaubern einen neuen Boom.
Sein Vertrauen in das Urlaubsland ist zerstört
Ramin M. will seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen, weil seine Eltern gerade Urlaub in der Türkei machen und er sich um ihre Sicherheit sorgt. Sein Vertrauen in das Urlaubsland ist zerstört. Dabei sei es ein schöner Urlaub gewesen, den er mit einem Freund in Antalya verlebt habe. Bis zur letzten Passkontrolle am Flughafen vor dem Rückflug. Sein Kumpel ging unbehelligt durch, berichtet der 38-Jährige – doch er habe skeptische Blicke geerntet. Ein Mann in Zivil sei gekommen, habe ihm Pass und Ticket abgenommen und ihn angewiesen, ihm zu folgen. In Handschellen musste er warten, durfte nicht telefonieren. „Dann kamen immer mehr Polizisten, die mir immer wieder dieselben Fragen gestellt haben: Wer ich bin, wo ich war. Einer schrie mich die ganze Zeit über an“, berichtet M. „Einer hat mich in verschiedenen Sprachen angesprochen, die ich nicht verstehen konnte – vermutlich um mich zu testen.“
Zuletzt hätten 14 Polizisten ihn umringt. Sie zeigten ihm Fotos von einem ägyptischen Terrorverdächtigen. „Es war wohl eine Verwechslung“, sagt M. „Die hätte man ganz schnell aufklären können, wenn man meinen Freund gefragt oder die Urlaubsfotos auf meinem Handy angesehen hätte.“ So dauerte die Prozedur über eine Stunde. „Ich habe mich schon im türkischen Gefängnis gesehen und gedacht: Das überlebe ich nicht lange.“ Dann schrie ein Beamter ihn urplötzlich an, er solle verschwinden. Eine Entschuldigung gab es nicht. „Ich fand es persönlich sehr schlimm“, berichtet der Mettmanner.
Vorfälle wie dieser werden nicht erfasst – wie oft es Türkeireisenden ergeht wie Ramin M., ist daher nicht bekannt. Laut Auswärtigem Amt sitzen derzeit fünf deutsche Staatsbürger in der Türkei aus politischen Gründen in Haft. In ihren Reisehinweisen für die Türkei schreibt die Bundesbehörde, in den vergangenen zwei Jahren seien „vermehrt auch deutsche Staatsangehörige willkürlich inhaftiert“ worden; immer wieder habe es zudem Probleme mit dem konsularischen Zugang zu diesen Gefangenen gegeben. Reisenden wird „empfohlen, sich von politischen Veranstaltungen und grundsätzlich von größeren Menschenansammlungen fernzuhalten“.
Der Türkeireiselust der Deutschen kann dieses Nachrichten-Grundrauschen nichts mehr anhaben. Mit 5,6 Millionen Touristen aus Deutschland erlebte der Bosporus 2015 einen Rekord – dann kam der Putschversuch und Erdogans Notstand, in den kommenden zwei Jahren brachen die Zahlen dramatisch ein. Anfang 2018 meldeten die Reiseveranstalter dann erstmals wieder ein Plus. „Der Trend hält an“, sagt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV) in Berlin auf Anfrage dieser Zeitung. Das Jahr bringe „eine deutliche Erholung“ der Urlauberzahlen aus Deutschland – und zwar um 50 bis 100 Prozent im Vergleich zum Vorjahr: „Es ist ein Comeback für die Türkei“, so Schäfer.
Erhöhte Gefahr für den normalen Urlauber bestehe nicht
Ein allmählich entspanntes Verhältnis zwischen der deutschen und der türkischen Regierung, abgemilderte Warnungen des Auswärtigen Amtes – letztlich glaubt Schäfer, dass es aber doch an den Angeboten der Hoteliers vor Ort nach zwei mauen Jahren liegt: „Das Preisniveau für Familien ist sehr attraktiv.“ Das gelte insbesondere für All-Inclusive-Angebote. Eine erhöhte Gefahr für den normalen Urlauber, inhaftiert zu werden, sieht der DRV-Sprecher nicht, rät aber: „Reisende sollten sich immer vor dem Urlaub über aktuelle Reise- und Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes informieren. Es gilt hier, sich über Gepflogenheiten und die Verhältnisse in dem jeweiligen Reiseland auf dem Laufenden zu halten sowie die Ratschläge zu befolgen.“
Unter „Gepflogenheiten“ könnte man wohl auch verstehen, keine Kritik am Präsidenten in den sozialen Medien zu äußern. Laut „Spiegel“ wird Hüseyin M. vorgeworfen, Erdogan 2014 und 2015 auf Facebook beleidigt zu haben – was der Angeklagte bestreite. Sein Prozess soll in der kommenden Woche in Ankara beginnen. Der Staatsanwalt fordert vier Jahre Haft. Das Ende eines Urlaubs im Boom-Land Türkei.