Meinung Warum die UN-Klimakonferenz wie eine Selbsthilfegruppe ist

Meinung | Berlin · Die internationalen Klimaverhandlungen kann man wohl am besten mit einer Gruppe (nicht-)anonymer Alkoholiker vergleichen. Ein Kommentar.

 Die Teilnehmer des Weltklimagipfels freuen sich über den Beschluss des Kompromisses.

Die Teilnehmer des Weltklimagipfels freuen sich über den Beschluss des Kompromisses.

Foto: dpa/Monika Skolimowska

Leider saufen die meisten seitdem noch mehr als vorher. Auch Deutschland. Einige sagen, sie könnten nicht aufhören, es gehe einfach nicht. Andere wollen ihren Konsum nur etwas reduzieren und nicht so schnell. Oder sie versprechen morgen aufzuhören, ganz bestimmt. Und vertagen es immer wieder. Die ersten überlegen schon, die Gruppe wieder zu verlassen, weil die Leberzirrhose ja vielleicht doch nicht komme. Das sei nämlich gar nicht bewiesen.

Auf die Klimaverhandlungen übersetzt war Kattowitz der Versuch, aus der unverbindlichen Absicht von Paris einen verbindlichen Plan zu machen, also etwas mehr Zug in die Gruppe hineinzubringen. Alle sollen nun regelmäßig nach einheitlichen Kriterien und überprüfbar berichten, was sie getan haben, um ihren Kohlendioxidausstoß zu senken. Ab 2024 geht das los. Das ist noch einmal ein Zeitaufschub, als ob die Welt unendlich viel Zeit hätte. Ohnehin reichen die bisher von den Staaten versprochenen freiwilligen Reduktionsziele nicht, um die Erderwärmung auch nur bei drei Grad zu stoppen. Geschweige denn bei den 1,5 Grad. Aber immerhin: So entsteht ein Mechanismus der Kontrolle. Ein globaler Pranger.

Dass eine solche Verabredung gelang, ist die gute Nachricht. Absehbar ist aber, dass der Klimaschutz umso mehr Widerstand erzeugt, je konkreter er wird. Deutschland wird das im nächsten Jahr merken, wenn die Regierung ihr im Koalitionsvertrag verabredetes verbindliches Klimaschutzgesetz formuliert. Das wird Hauen und Stechen geben und ein großes Aufheulen in der Bevölkerung nach sich ziehen, denn es soll endlich auch für den Verkehr und den Gebäudebereich Veränderungen geben. Dort hat sich bisher fast nichts getan. Klimaschutz ist ein Einfallstor für Populisten. Die Demonstrationen der Gelbwesten in Frankreich, die durch die höchst sinnvolle Einführung einer CO2-Bepreisung ausgelöst wurden, sind dafür ein Beispiel. Freilich zeigt Frankreich auch, dass die soziale Verträglichkeit aller Maßnahmen ein zentrales Kriterium sein muss. Das muss auch für den Kohleausstieg in der Lausitz gelten.

 Werner Kolhoff.

Werner Kolhoff.

Foto: k r o h n f o t o . d e

Zum anderen hat sich in Kattowitz angedeutet, woran der ganze, gut gemeinte Prozess jederzeit scheitern kann: An Staaten, die stark und rücksichtslos genug sind, um ihre Interessen durchzusetzen. Pranger hin, Pranger her. Bei der abgelaufenen Konferenz waren das vor allem die USA, Brasilien, Saudi-Arabien und Russland. Sie sind sozusagen die Schnapshändler in der Alkoholiker-Gruppe, sie wollen Öl, Gas und Kohle verkaufen, so viel es geht. Noch sind sie nicht ausgestiegen, noch drohen sie nur damit. Weil die Beschlüsse ihre Geschäfte noch nicht fundamental stören. Sobald sich das ändert, kommt für die internationale Klimapolitik die Stunde der Wahrheit.