Warum es in der AfD brodelt

Der Landesparteitag ist aus Sicherheitsgründen abgesagt. Die Polizei widerspricht: Es gebe keine Anzeichen von Gefahr. Große Unruhe in der Partei.

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Wiehl/Düsseldorf. Die Absage kommt Donnerstagvormittag: Die nordrhein-westfälische AfD sagt ihren Landesparteitag in Wiehl ab. Die zweitägige Veranstaltung, die Samstag und Sonntag in der Wiehltalhalle im Oberbergischen Kreis stattfinden sollte, wo die NRW-AfD nach dem Abgang von Marcus Pretzell einen neuen Vorstand küren und auch eine politische Richtung festlegen wollte, fällt aus. Als Grund nennt die Partei „die massiven und militanten Drohungen gegen die Teilnehmer und Gäste des Parteitags“ und kündigt an, den Parteitag „auf einen späteren Zeitpunkt und anderen Ort zu verschieben“. Gegenüber unserer Zeitung peilt der Landesvorsitzende Martin Renner einen Termin im November an. „Maximal wird es Januar 2018 werden“, sagt Renner. Dann soll eine besser schützbare Location her, man habe bereits etwas im Auge. Wo? „Das sage ich jetzt sicher nicht.“

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Die Halle in Wiehl biete nur eine Zufahrtsstraße und einen Parkplatz, der zu weit entfernt liege. Und weil sich „aggressive Antifa-Gruppen und der Schwarze Block“ angekündigt hätten, sagt Renner, könne man nicht für die Sicherheit der Mitglieder garantieren. Bei der Kreispolizeibehörde Oberbergischer Kreis hört sich das anders an: „Wir haben absolut keine Erkenntnislage, die auf die Teilnahme etwa des Schwarzen Blocks hinweist. Wir waren auf alle Eventualitäten mit ausreichend Kräften eingespielt und umfassend vorbereitet“, sagte gestern Behördensprecher Michael Schüttler missmutig. Also alles nur vorgeschoben?

Dass der Parteitag wegen der innerparteilichen Probleme abgesagt wurde, wie man nach den Ereignissen der vergangenen Wochen vermuten könnte, bestreitet Renner. „Innerparteilichen Streit haben wir immer in der AfD. Das ist sicher kein Grund.“ Es geht noch profaner: Angeblich, so die Information dieser Zeitung, soll es der AfD organisatorisch schlicht nicht gelungen sein, seine Mitglieder „mitten in der Wallachei“, wie Renner Wiehl genannt hat, unterzubringen.

Der 63-Jährige ist derzeit durchaus bedient, weil die AfD in NRW kein gutes Bild abgibt. Aus dem erbitterten Richtungsstreit zwischen dem just ausgetretenen Pretzell und dem AfD-Gründungsmitglied Renner in der Doppelspitze des Landesverbandes ist eine Posse geworden, die über Bande mit Pretzells Ehefrau Frauke Petry der gesamten Partei zusetzt. Nach deren Rückzug und folgenden weiteren Parteiaustritten vermutet Renner dahinter inzwischen eine Strategie, AfD-Mitglieder systematisch in eine „strukturell überlebensfähige Organisation“ einbinden zu wollen. Da werde es schon noch „einige Fahnengenossen geben“, sagt Renner, „die denen folgen könnten“. Die Salamitaktik der Austritte wertet er als Strategie. „So bleiben sie immer im Gespräch.“

Die Welle rollt: Nach Pretzell haben auch die Mandatsträger Alexander Langguth und Ex-Schatzmeister Frank Neppe die Landtagsfraktion der AfD und auch die Partei verlassen. Mit nun 13 Mitgliedern ist die AfD in NRW kleinste Fraktion. Folgen weitere Abtrünnige, wird es eng: zehn Mitglieder braucht die Gruppe für den Fraktionsstatus.

Neppe sagt, er werde sein Abgeordnetenmandat nicht aufgeben. Die Partei habe das zwar eingefordert. Aber: „die fordern viel“, sagte der 51-Jährige lapidar. In einer Erklärung beklagt er, dass einige Funktionäre der Partei die AfD mit ihren Äußerungen „immer weiter in die rechte Ecke bugsieren“. Es ist die Sprachregelung jener, die gehen. Fast klingt es abgesprochen.

Aus den Landtagsfraktionen in NRW, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen gab es seit der Bundestagswahl insgesamt elf Austritte. Aus der Bundestagsfraktion verabschiedete sich zudem der Abgeordnete Mario Mieruch aus NRW. Renner, der aus Reutlingen stammt und in Haan lebt, kann das alles gar nicht nachvollziehen. „Dieses Gerede, dass wir immer weiter nach rechts rücken: Wir stehen da, wo wir immer standen: Rechts, wenn alle anderen nach links gehen, aber immer auf dem Boden der Verfassung.“ Renner sieht seine Partei, für die er inzwischen auch im Bundestag sitzt, als „Volkspartei im Wartestand“. Er fügt an: „Auch wenn das in unserer derzeitigen Situation etwas albern klingt.“

Die Nervosität soll auch in der Bundespartei groß sein. Offenbar hat die Bewegung, die der AfD unter Umständen zu schaffen machen könnte, bereits einen Namen. Zwei Tage nach der Bundestagswahl ist die Anzeige der Gründung einer Partei namens „Die Blauen“ beim Bundeswahlleiter eingegangen. Petrys Berater Michael Muster soll als Vorstand eingetragen sein. Die Papiere seien am 26. September eingegangen, derzeit würden sie geprüft. Martin Renner nennt den Namen der potenziellen Konkurrenzpartei „völlig meschugge“. Und was ihn noch ärgert: „Dann okkupieren sie auch noch das Blau der AfD.“ Es wird wohl nicht sein letztes Problem sein.