Werbeverbot für Abtreibung — der politische Widerstand wächst

Nachdem eine Ärztin Ende November verurteilt worden war, gibt es nun zahlreiche Initiativen, die strengen Regeln zu lockern.

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Düsseldorf. Als die Gießener Ärztin Kristina Hänel ihre Online-Petition auf der Internetplattform Change.org startete, da war sie noch eine Angeklagte. Und versuchte auf diesem Wege, möglichst viele Stimmen zu sammeln, um politisch dagegen vorzugehen, was ihr rechtlich drohte: Eine Verurteilung nach § 219 a des Strafgesetzbuchs, der „die Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“ unter Strafe stellt. In ihrer Petition machte sie keinen Hehl daraus, dass sie es Interessierten auf ihrer Homepage ermögliche, über einen Link Informationen zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten. Sie informiere über die gesetzlichen Voraussetzungen, sowie über die Methoden und Risiken des Schwangerschaftsabbruchs. Diese Werbung müsse erlaubt sein und folglich der § 219 a gestrichen werden, forderte sie.

Weil sich aber das Amtsgericht Gießen daran gebunden fühlte, den aktuell geltenden § 219 a Strafgesetzbuch zum Maßstab für seine Entscheidung zu nehmen, verurteilte es die Ärztin Ende November zu 6000 Euro Geldstrafe. Ein Urteil, das seither die Debatte um Abtreibungen anfeuert. Nicht nur, weil mittlerweile mehr als 150 000 Menschen Hänels Petition unterstützt haben. Sondern auch, weil sich politisch etwas bewegt, um die Strafnorm zu reformieren.

Auch wenn es derzeit keine voll handlungsfähige Bundesregierung gibt, zeigt der Fall, dass der Bundestag als Gesetzgeber durchaus in der Lage wäre, aktiv zu werden. Immer mehr Unterstützer einer parteiübergreifenden Initiative — von der SPD über Grüne und Linke bis zur FDP — setzen sich für eine Reform ein. Auch über den Bundesrat läuft ein entsprechendes Vorhaben. Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat eine Gesetzesinitiative beschlossen, wonach es Ärzten möglich sein soll, sachliche Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen in der Öffentlichkeit anzubieten.

Auch die NRW-Grünen bringen das Vorhaben am Donnerstag in den Düsseldorfer Landtag ein. Die schwarz-gelbe Landesregierung, so der Antrag, solle sich über den Bundesrat für die Aufhebung oder umfassende Änderung des 219a einsetzen. Die Grünen argumentieren: „Da in der Ärzteschaft allgemein bekannt ist, dass Abtreibungsinitiativen schon einige wenige Informationen nutzen, um Strafanzeige zu erstatten, verzichten viele Ärztinnen und Ärzte auf den Hinweis, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Dies schränkt das Informationsrecht der betroffenen Frauen in erheblicher Weise ein.“ Statt fachlich fundierter Informationen fänden Frauen in ihrer besonderen Ausnahmesituation im Internet eine Vielzahl an Webseiten radikaler Abtreibungsgegner und deren Fehlinformationen.

Zwar seien Abtreibungen in Deutschland weiterhin rechtswidrig. Im Sinne des weiblichen Selbstbestimmungsrechts blieben sie aber in bestimmten Situationen straffrei. Neben medizinischen oder kriminologischen Gründen könnten schwangere Frauen in den ersten zwölf Wochen nach der Empfängnis und nach fundierter Beratung in einer staatlich anerkannten Stelle abtreiben. Entsprechend folgerichtig, so die Grünen, wäre es, wenn Ärzte straffrei darauf hinweisen könnten, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Ulrike Lembke, Rechtsprofessorin an der Fernuni Hagen, spricht im Online-Magazin „Legal Tribune“ davon, dass die Kriminalisierung der Ärzte und die dadurch bewirkte fehlende Information erhebliche praktische Konsequenzen habe: „Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Dienstleistung, die von immer weniger Arztpraxen und Kliniken überhaupt angeboten wird. Nicht nur im ländlichen Raum müssen betroffene Frauen oft weite Wege auf sich nehmen. Die Vornahme des Schwangerschaftsabbruchs entspricht oft nicht dem medizinischen Standard. Die Kosten werden grundsätzlich nicht von den Krankenkassen übernommen. Und schließlich fühlen religiöse Fundamentalisten sich berufen, betroffene Frauen unzumutbar zu belästigen, Beratungsstellen zu belagern sowie Ärztinnen und Ärzte nachdrücklich in ihrer Arbeit zu behindern.“

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) stellt sich hingegen hinter den § 219 a. In der aktuellen Debatte werde so getan, „als sei Abtreibung eine medizinische Dienstleistung wie jede andere“, erklärte der Präsident des Zentralkomitees, Thomas Sternberg. Ein Blick in das Gesetz stelle aber klar, „dass das ganz und gar nicht so ist“. „Das menschliche Leben mit seiner unbedingten Würde muss von seinem Beginn als Embryo bis zum Tod geschützt werden“, erklärte Sternberg. Der Schwangerschaftsabbruch sei außer bei medizinischen oder kriminologischen Indikationen rechtswidrig und nur unter bestimmten Bedingungen in den ersten drei Monaten straffrei. Es sei daher folgerichtig, dass auch die Werbung für den Schwangerschaftsabbruch verboten sei.