Zensurvorwurf bringt Kirche in Bedrängnis
Fehlt der Aufklärungswille oder hat es nur Streit gegeben? Kriminologe Christian Pfeiffer spricht sogar von Aktenvernichtung.
Hannover. Nach dem Schock und der Empörung über die jahrelange Vertuschung von hundertfachem Missbrauch versprach die katholische Kirche eine Kehrtwende. Eine härtere Gangart gegenüber Tätern sowie umfassende Aufklärung solle es geben, eine neue Offenheit angesichts rasant steigender Austrittszahlen.
Drei Jahre nach Losbrechen des Skandals steht die Kirche nun aber erneut am Pranger. Sie habe Zensur bei der Untersuchung von Missbrauchsfällen ausüben wollen, lautet der Vorwurf des Kriminologen Christian Pfeiffer. Kritiker zweifeln am Aufklärungswillen der Kirche.
Sie wolle „der Wahrheit auf die Spur kommen“ und „eine ehrliche Aufklärung“, hatte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz und Trierer Bischof Stephan Ackermann vor eineinhalb Jahren erklärt, als Pfeiffer mit einer umfassenden Studie beauftragt wurde.
Statt Geheimhaltung sollte es erstmals Zugang zu kirchlichen Akten für externe Experten geben, möglicherweise noch unentdeckte Sachverhalte sollten ans Tageslicht geholt werden.
Genau dagegen aber habe sich schnell Widerstand in Reihen der Kirche gerührt, vor allem in den Bistümern München/Freising und Regensburg, beklagt Pfeiffer. Die Kirche habe daraufhin auf ein Vetorecht bei der Veröffentlichung von Ergebnissen gepocht — dies sei nicht hinnehmbar gewesen. Ackermann wies die Behauptung in der ARD zurück: „Wir haben kein Vetorecht gefordert.“
Selbst eine Vernichtung von Akten habe es gegeben, sagt Pfeiffer. Die Bischofskonferenz bestreitet das. Es sei um den Datenschutz von Mitarbeitern gegangen, heißt es aus der Kirche, die statt Pfeiffer nun anderen Forschern die Studie übertragen will.
„Die Frage ist, ob die Kirche bereit ist, sich der Aufklärung und der Wissenschaft zu stellen“, sagt Christian Weisner von der Bewegung „Wir sind Kirche“. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx müsse sich fragen lassen, warum gerade von ihm versucht worden sei, das Rad zurückzudrehen. Offenbar seien im Bistum neun Mal so viele Taten in den Akten entdeckt worden, wie die Kirche bisher angegeben hatte. „Da hat man wohl kalte Füße bekommen.“
Seit dem Jahr 2010, als der jahrzehntelang praktizierte sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen bekannt wurde, hat die Kirche einiges unternommen, um Opfern zu helfen. Unter anderem wurde mit dem Trierer Bischof ein Missbrauchsbeauftragter ernannt, und die Leitlinien zum Umgang mit sexueller Gewalt wurden verschärft.