Auf dem Rücksitz vom Chef - Fahrgemeinschaften in Unternehmen

Stuttgart (dpa) - Volle U-Bahnen oder Stau auf den Straßen: Der tägliche Weg zur Arbeit kann oft aufreibend sein. Immer mehr Unternehmen richten für ihre Belegschaft daher spezielle Mitfahrzentralen ein.

Vorteile verschaffen sie dadurch aber auch sich selbst.

Eigentlich hatte Frederic Heinemann am Morgen nur eine Mitfahrgelegenheit zur Arbeit gesucht. Diesen Fahrer hatte er allerdings nicht erwartet: seinen Chef, Jim Hagemann Snabe vom Softwareriesen SAP. Mittlerweile sind die Chauffeur-Dienste des Vorgesetzten dort gar nicht mehr so ungewöhnlich: Der Dax-Konzern hat eine eigene Anwendung für die Suche nach Fahrgemeinschaften entwickelt - und Snabe macht selbst davon Gebrauch, wie im Unternehmensblog von SAP nachzulesen ist.

Nun bietet der Softwarekonzern aus Walldorf seine Applikation, die jeder Mitarbeiter vom Handy aus öffnen kann, auch anderen Firmen an - und reagiert damit auf eine Entwicklung, die derzeit in mehreren Konzernen stattfindet. Arbeitgeber fördern gezielt Fahrgemeinschaften, um damit nicht nur ihren Mitarbeitern, sondern letztlich auch sich selbst Vorteile zu verschaffen.

„Viele Arbeitgeber müssen um Arbeitnehmer buhlen - auch mit nicht-monetären Dingen“, sagte Sascha Müller, Projektleiter der Arbeitsgemeinschaft Pendlerservice. Die AG fördert Fahrgemeinschaften von Pendlern und wird von Bundesländern, Verkehrsverbünden und Städten getragen. Neben Umweltfreundlichkeit hätten die gemeinsamen Fahrten zur Arbeit für Firmen klare Vorteile: gesparte Kosten und entspanntere Kollegen.

Lange habe es in Unternehmen die Haltung gegeben: „Was interessiert es mich, wie meine Leute zur Arbeit kommen?“, erklärt Müller. Durch Fahrgemeinschaften könnten sie aber nicht nur Parkplatzprobleme lösen, sondern gesparte Parkflächen sogar anderweitig nutzen oder vermieten.

Das hat auch der Outdoor-Hersteller Vaude mit Sitz am Bodensee erkannt: Er bietet Angestellten eigene Autos für Fahrgemeinschaften und will im Herbst auch noch eine Buslinie einführen, die sie gemeinsam zum Arbeitsplatz bringt. Wer die Fahrt lieber selbst organisiert, kann auf die Online-Anwendung der Mitfahrzentrale Flincoder auf Elektro-Fahrräder zurückgreifen.

„Es ist hier extrem ländlich“, erklärt Julia Bauer, die bei Vaude für die Nachhaltigkeitskommunikation zuständig ist. „Da muss man den Leuten schon entgegenkommen.“ Der Auslöser für die Angebote? „Ganz unsentimentale Parkplatzknappheit“, sagt sie. „Wir standen vor der Entscheidung, ob wir ein Parkhaus bauen oder ein Mobilitätsmanagement einführen. Letzteres ist natürlich viel nachhaltiger, daher lag die Entscheidung auf der Hand.“ Vaude versuche, klimaneutral zu wirtschaften. Täglich tragen die 500 Mitarbeiter daher ein, wie sie morgens zur Arbeit gekommen sind - und abends wieder zurück.

Bei SAP sieht man die Fahrgemeinschaften nicht zuletzt als Wirtschaftsfaktor. „Sie verlängern sozusagen die Zeit, in der sich Mitarbeiter mit der Firma beschäftigen“, sagt Nachhaltigkeitschef Peter Graf. Hinzu komme, dass Kollegen untereinander netzwerken könnten. Mitarbeiterin Julia Denzel bestätigt das: „Man fängt meistens mit den beruflichen Themen an“, sagt die 31-Jährige. „Wenn man sich versteht, unterhält man sich aber irgendwann auch privat.“

Beim Technikriesen Bosch gibt es zwar keine einheitliche Mitfahrzentrale. Im Raum Hildesheim testen Mitarbeiter derzeit aber beispielsweise den Online-Mitfahrdienst Flinc - um sich bei wechselnden Arbeitszeiten spontan verabreden zu können.

„Ich denke, es gibt viele Kollegen, die das nutzen, um sich auszutauschen, und dann entspannt und gut gelaunt ins Werk kommen“, sagt Bosch-Sprecher Sven Kahn. Davon profitiere auch das Arbeitsklima. Ob das für jeden Mitarbeiter eine Option ist, zweifelt er aber zumindest an. So mancher nutze den Weg zur Arbeit auch, um in der U-Bahn ein Buch zu lesen - allein.