Bei Jobs im Stehen ist Muskeltraining das A und O
Hamburg (dpa/tmn) - Friseur, Bäcker oder Tankwart: Viele Berufstätige stehen täglich stundenlang. Die Folgen sind oft Schmerzen. Doch Betroffene können dagegen etwas tun. Sitzen ist keine Lösung.
Zwischen fünf und sechs Stunden steht sie jeden Tag. Ob beim Waschen, Schneiden, Färben oder Föhnen: Gabriele Heisterhagen ist in ihrem Job ständig auf den Beinen. Seit sieben Jahren leitet sie den Friseurladen „pure cut“ in Hamburg. „60 bis 70 Prozent der Zeit stehe ich sicherlich. Klar habe ich Beschwerden“, sagt sie. An den Halswirbeln hätten fast alle im Salon Verschleiß.
Rund 16,5 Millionen Menschen haben laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin einen Job, in dem sie zumindest teilweise ihre Arbeit im Stehen machen müssen. Beschwerden reichen von Muskel- und Gelenkproblemen über den Kreislauf bis hin zu Krampfadern. Dabei ist die Haltung selbst nicht das Schlimmste: „Stehen an sich ist ja zunächst einmal ungefährlich“, sagt Orthopäde Christoph Eichhorn. Zum Problem werde die Belastung immer dann, wenn Berufstätige ihre Muskeln nicht ausreichend trainieren. Regelmäßige Übungen seien deshalb das A und O.
Um negative Auswirkungen des Stehens auf den Körper abzumildern, helfen vor allem Gymnastik oder Techniken wie Pilates. „Alle Sportarten, bei denen eine Drehung im Rumpf vorkommt, eignen sich“, sagt Uwe Dresel. Der Sportwissenschaftler koordiniert bei der Krankenkasse DAK Gesundheitsprogramme für Betriebe. Auch Joggen, Walken oder Schwimmen seien ein guter Ausgleichssport. Jeder Spaziergang eigne sich. „Bei der Prävention heißt das Zauberwort Bewegung.“
Um die Muskeln zu trainieren, sollten Arbeitnehmer jedoch nicht warten, bis die Freizeit beginnt. Mit der Bewegung können Berufstätige gleich bei der Arbeit anfangen: „Man kann folgende Übung machen: Man stellt sich an eine Wand, rutscht hinunter und bleibt dann im 90-Grad-Winkel hocken, als würde man sitzen“, empfiehlt Orthopäde Eichhorn. „Auch sich einfach mal zu drehen und zu dehnen zwischendurch, hilft schon total viel“, sagt Gabriele Heisterhagen. Sie selbst macht viel Fitness und trainiert an drei bis vier Tagen pro Woche. Das mache die Beschwerden schon besser, erzählt sie.
Während der Arbeit sollten Berufstätige darauf achten, dass sie ihr Gewicht immer wieder von einem Bein auf das andere verlagern, rät Dresel. Dazu stellen Arbeitnehmer am besten abwechselnd einen Fuß nach vorne. Dadurch werden immer wieder verschiedene Bänder, Gelenke und Muskeln belastet.
Dem naheliegendsten Reflex dürfen sie jedoch nicht zu oft nachgeben: „Man sollte sich nicht hinsetzen. Dann bleibt alles Blut unten in den Beinen. Erst durch die Bewegung springt die Venenpumpe an“, sagt Dresel.
Trotzdem: Nicht jeder Berufstätige hat die Zeit, dauernd spazieren zu gehen oder Fitness zu machen. Ein ähnlicher Effekt lässt sich jedoch auch erzielen, wenn Arbeitnehmer einige Schritte auf den Zehenspitzen gehen oder abwechselnd die Füße auf einen Stuhl stellen. „Das Schlimmste ist, die ganze Zeit in einer Position zu verharren - egal, ob es Sitzen oder Stehen ist“, sagt Dresel.
Doch nicht nur Rückenschmerzen sind oft Folgen des langen Stehens. „Es können sich auch Krampfadern bilden“, warnt Orthopäde Eichhorn. Dagegen können Kompressionsstrümpfe helfen. Durch das lange Stehen könne sich auch der Fuß senken, was sich durch Einlagen korrigieren lässt. High Heels und höhere Absätze sind laut dem Orthopäden unbedingt zu vermeiden, da Vorfuß und Sprunggelenk extrem stark belastet werden.
Auch Gabriele Heisterhagen achtet bei sich und ihren Mitarbeitern auf richtiges Schuhwerk. Sie selbst bringt sich Schuhe mit niedrigen Absätzen zur Arbeit mit. Von der Kasse oder dem Arbeitgeber bekommen Arbeitnehmer solche Schuhe jedoch nicht bezahlt, so die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Dresel hat jedoch die Erfahrung gemacht, dass viele Arbeitgeber einen Zuschuss geben, wenn Arbeitnehmer nach einem kostenlosen Sportkurs, nach Stehhilfen oder ergonomischen Schreibtischstühlen fragen.
Auch Gabriele Heisterhagen hakt bei ihren Mitarbeitern nach, ob sie Sport machen. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen gibt es dennoch immer wieder Beschwerden. Ob sie deshalb lieber einen Bürojob machen würde? „Den ganzen Tag im Büro vor dem PC zu sitzen, wäre viel schlimmer für mich. Das käme nie infrage! Ich steh' eben auf meine Arbeit.“