Fit bleiben: So vermeiden Pflegekräfte das Burn-out
Neuwied (dpa/tmn) - Leid und Angst - mit solchen Themen sind Pflegekräfte in ihrem Alltag konfrontiert. Doch für lange Gespräche ist häufig keine Zeit. Auch deshalb ist die Gefahr in dieser Berufsgruppe groß, an einem Burn-out zu erkranken.
Doch dagegen kann man etwas tun.
Waschen, anziehen, Essen reichen - und das alles im Minutentakt. Pflegekräfte stehen täglich unter einem enormen Druck. Die Folge: Nach einigen Berufsjahren leiden nicht wenige unter einem Burn-out. Sie fühlen sich kraftlos und ausgebrannt oder haben sogar Angstzustände. Laut einer Studie der Technischen Universität Berlin von 2011 unter 600 examinierten Pflegekräften bezeichnete die Hälfte ihre Arbeitsumgebung als schlecht oder mäßig - mehr als jeder Dritte (37 Prozent) ist mit der Arbeit unzufrieden. Fast jeder Dritte (30 Prozent) leidet an emotionaler Erschöpfung. Um auch nach einigen Jahren den Beruf noch gerne auszuüben, müssen Pflegekräfte deshalb besonders achtsam mit sich umgehen.
Menschen, die einen Pflegeberuf ergreifen, starten meist mit viel Enthusiasmus in den Job. Sie wollen sich um andere kümmern und ihnen etwas Gutes tun. Doch die Realität verpasse vielen schnell einen Dämpfer, sagt Rolf Höfert vom Deutschen Pflegeverband (DPV) in Neuwied bei Koblenz. Vor allem der ständige Zeitmangel mache vielen Pflegekräften zu schaffen.
„Für fast alle Tätigkeiten gibt es zeitliche Vorgaben, die sich in einem sehr engen Rahmen bewegen.“ Gerade für Altenpfleger sei diese Situation frustrierend. „Eine Minute für das An- und Ausziehen der Strümpfe, fünf Minuten, um einen pflegebedürftigen Menschen zu füttern - das bedeutet Stress pur.“ Für emotionale Zuwendungen, liebe Worte oder ein kurzes Gespräch bleibe da häufig kaum Zeit.
Eine Entwicklung mit Folgen: Die Mitarbeiter sind überlastet, fühlen sich von der Verantwortung erdrückt und haben Angst, etwas falsch zu machen. „Wer diesem Stress täglich ausgesetzt ist, läuft Gefahr, an einem Burn-out zu erkranken“, erklärt Markus Classen, der als Coach für Pflegekräfte arbeitet.
Sein Rat: Auf Erholungsphasen achten. Wer sich im Job hohen Belastungen aussetzt, neige oft dazu, auch im Privatleben stark engagiert zu sein. Zeit zum Krafttanken bleibe so kaum. Dabei seien die Ruhephasen zwischen zwei anstrengenden Schichten besonders wichtig. Anstatt auch noch in der Freizeit ständig für andere da zu sein, sollten gerade Menschen in Pflegeberufen lernen, öfter mal „Nein“ zu sagen.
Doch auch die stressige Situation am Arbeitsplatz kann positiv beeinflusst werden. Dabei gelte es, mit den Gegebenheiten anders umzugehen, rät Classen. „Man hat nun mal nur fünf Minuten Zeit, den Patienten zu waschen.“ Anstatt sich darüber zu ärgern, sollten Pflegekräfte besser überlegen, wie sie ihm die Zeit so angenehm wie möglich machen.
Das berufliche Umfeld lasse sich ebenfalls im Sinne des Angestellten verändern, sagt Jens Geißler, der in Berlin eine Burn-out-Selbsthilfegruppe leitet. „Wenn eine Arbeitszeit von 40 Stunden in der Woche vertraglich festgeschrieben ist, kann einen keiner zu Überstunden zwingen.“ Um diese Einstellung gegenüber Vorgesetzten überzeugt vertreten zu können, müssen sich Pflegende ihrer Position bewusst werden.
Inzwischen suchten viele Pflegeeinrichtungen händeringend nach Personal. Deshalb können qualifizierte Mitarbeiter auf die Einhaltung ihres Arbeitsvertrages pochen, ohne Angst haben zu müssen, sofort gekündigt zu werden. Während der Arbeitszeit rät Geißler zum so genannten Mono-Tasking. Das heißt: Eins nach dem anderen. „Wenn ich mich um den Menschen kümmere, dann kümmere ich mich um den Menschen und protokolliere nicht noch nebenbei.“
Service:
Die Burn-out-Selbsthilfegruppe von Jens Geißler ist unter der Telefonnummer 030/306512 zu erreichen.