In Juniorfirmen sind die Azubis die Chefs
Roth (dpa) - Werkstatt fegen und Bier holen war gestern: Heute bekommen Lehrlinge und Auszubildende auch größere Aufgaben übertragen. Manche Großunternehmen haben gar eigene Juniorfirmen - der Nachwuchs ist dort ganz allein für tausende Euro verantwortlich.
Im tadellos sitzenden Anzug präsentiert Alexander Herrmann den Geschäftsbericht der Leoni Junior Group. „Wir waren erfolgreicher, als wir eigentlich geplant hatten“, sagt der erst 22 Jahre alte kaufmännische Geschäftsführer stolz. Im Gründungsjahr der Firma stehen nach nur neun Monaten Geschäftsbetrieb unter dem Strich knapp 19 000 Euro - ein satter Gewinn. Dabei ist Herrmann selbst noch in der Ausbildung, genau wie alle anderen Mitarbeiter der Juniorfirma.
Doch was genau ist ein Azubi-Unternehmen? Die Leoni Junior Group könne man als „Firma in der Firma“ beschreiben, erklärt ihr technischer Geschäftsführer Andreas Ellinger. Sie sei eine Art Abteilung am Standort Roth und werde allein von den Azubis geführt. Jeweils zwölf Monate sind die Lehrlinge in den einzelnen Bereichen tätig und engagieren sich etwa zwei Stunden in der Woche für ihre „eigene Firma“ - parallel zur regulären Ausbildung.
Aufgebaut ist die Azubi-Firma wie ein richtiges Unternehmen: Neben einem kaufmännischen und einem technischen Bereich gibt es die Zentralfunktionen wie Vertrieb oder Marketing. Die Geschäftsleitung ist für die Unternehmensführung verantwortlich und untersteht dem Aufsichtsrat, der sich aus Ausbildern und den „echten“ Abteilungsleitern des Automobilzulieferers zusammensetzt.
Die Aufträge erhalten die Jungunternehmer aus dem eigenen Betrieb. So stellten sie Sonderanfertigungen und Ausstellungsstücke für Messen oder Marketingzwecke her. Das Ziel des Projekts: Die Azubis sollen durch die verschiedenen Aufgaben einen Einblick in den realen Geschäftsbetrieb erhalten und theoretisches Wissen in die Praxis umsetzen.
Dadurch will Leoni die Qualität der Ausbildung verbessern. „Unsere jungen Leute lernen durch die Mitarbeit in der Juniorfirma unter anderem, Verantwortung zu übernehmen, selbstständig zu arbeiten und unternehmerisch zu denken“, erläutert der Personalchef am Standort Roth, Roland Dorn.
Eine Neuheit ist das Konzept „Juniorfirma“ aber keineswegs: Viele Unternehmen wollen ihrem Nachwuchs auf diese Weise eine qualifizierte Ausbildung bieten. Vor über zwanzig Jahren bereits gründete der Nürnberger IT-Dienstleister Datev seine Juniorfirma Jubit. Sie ermöglicht es den Auszubildenden ebenfalls, in ihrem eigenen Unternehmen werksinterne Aufträge auszuführen. „Es ist sehr wichtig, dass sich die Lehrlinge für einen Auftrag in Gänze verantwortlich fühlen und diese Verantwortung auch bereitwillig übernehmen“, betont Ausbilder Uwe Ritthammer.
Auch das Pharmaunternehmen Ratiopharm hat mit seiner Juniorfirma Jupha nur positive Erfahrungen gemacht. Sie sei „eine sehr gute Möglichkeit, bereits bei unseren Auszubildenden unternehmerisches Denken, selbstständiges Handeln und Eigenverantwortung zu fördern“, erläutert Pressesprecher Markus Braun. Ähnlich ist es auch bei der Juniorfirma des Autoherstellers BMW. Der Großteil der Azubis sei von der Arbeit im Lehrlingsbetrieb begeistert, weil sie „spannender als der Azubi-Alltag“ sei, wie Firmensprecher Jochen Frey sagt.
Der Lohn für ihre Tätigkeit ist die Erfahrung, die solche Azubis in ihrer Lehrlingsfirma sammeln. Eine Extrabezahlung neben dem regulären Gehalt gibt es nicht. „Es ist natürlich auch eine Möglichkeit, sich zu präsentieren und zu zeigen, was man kann“, resümiert Leoni-Personalchef Dorn. Für seinen Schützling Andreas Ellinger hat sich das Engagement in der Geschäftsführung des Azubi-Unternehmens bereits gelohnt: Der 19-Jährige hat inzwischen ein Stipendium seines Arbeitgebers für ein geplantes Maschinenbau-Studium in der Tasche.