Karlsruhe stärkt Mitarbeiterrechte bei Privatisierungen
Karlsruhe (dpa) - Grundsatzentscheidung aus Karlsruhe: Angestellte im öffentlichen Dienst dürfen bei einer Privatisierung nicht einfach mit übernommen werden. Sie müssen wenigstens Nein sagen können.
Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst dürfen nicht gegen ihren Willen zu privaten Arbeitgebern verschoben werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch (16. Februar) veröffentlichten Grundsatzbeschluss und stärkte damit die Rechte von Arbeitnehmern bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Die Richter erklärten eine hessische Regelung bei der Privatisierung der Universitätskliniken in Gießen und Marburg für verfassungswidrig (Aktenzeichen: 1 BvR 1741/09).
Das Land Hessen hatte die Kliniken Gießen und Marburg 2005 zusammengelegt und anschließend privatisiert. Die Arbeitsverträge wurden auf das neue Klinikunternehmen übergeleitet. Im Gegensatz zu Unternehmensübernahmen in der Privatwirtschaft hatten die Arbeitnehmer dabei kein Widerspruchsrecht. Eine Krankenschwester des Klinikums Marburg hatte sich gegen den erzwungenen Arbeitgeberwechsel gewehrt. Die Verfassungsrichter gaben der Frau recht: Die hessische Regelung verstoße gegen das Grundrecht der Arbeitnehmer auf freie Wahl des Arbeitsplatzes.
Angestellte im öffentlichen Dienst müssten zumindest dann eine Widerspruchsmöglichkeit haben, wenn der Wechsel zu einem privaten Arbeitgeber führt, oder es sich „um einen Zwischenschritt hin zu einer beabsichtigten und klar absehbaren Privatisierung des Arbeitgebers handelt“.
Ein Widerspruch führt dazu, dass der Beschäftigte zunächst im öffentlichen Dienst bleibt. Der öffentliche Arbeitgeber hätte dann nur die Möglichkeit, betriebsbedingt zu kündigen - dabei muss er aber die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes einhalten.
Besonders kritisch sah das höchste deutsche Gericht, dass das Land als Eigentümer der Kliniken selbst das Gesetz zur Privatisierung erlassen hatte: Dabei trete das Land „in einer Doppelrolle auf, nämlich sowohl als (bisheriger) Arbeitgeber wie als Gesetzgeber, der sich selbst (...) aus der Arbeitgeberstellung löst und sich damit seinen arbeitsvertraglichen Pflichten entzieht“.