Kaum Vater-Ersatz: Männer sind rar in Kindergärten
Erfurt (dpa) - Männliche Erzieher sind selten und begehrt. Kitas buhlen zunehmend um Absolventen. Doch der Beruf ist unattraktiv: Niedrige Gehälter und eilige Missbrauchs-Vorwürfe schrecken Männer ab.
Auf dem Bolzplatz ist Hendrik Gischkowski ein gefragter Mann. Fast jeden Tag rennt der 31-Jährige mit einer Hand voll Kindern einem grünen Ball hinterher, spielt Pässe, steht im Tor und erträgt ab und zu Niederlagen. Die Knirpse im Montessori-Kinderhaus Nohra bei Weimar lieben ihn dafür. Männliche Erzieher wie Gischkowski sind in Deutschland selten und begehrt. Bundesweit arbeiten 362 215 Erzieher in Kindergärten, darunter aber nur 10 745 Männer. Erzieher verdienen nicht viel und männliche Kollegen werden schnell verdächtigt, sexuelle Vorlieben für ihre Schützlinge zu haben. Das schreckt offenbar ab.
Mit Hilfe des Projektes „Mehr Männer in Kitas“ vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend soll der Männeranteil bundesweit von derzeit 3 Prozent auf 20 Prozent steigen.
„Männliche Erzieher sind toleranter beim Klettern, Toben und Raufen. Sie treiben mit den Kindern mehr Sport und sind offener für handwerkliche Spiele“, sagt der Koordinator des Thüringer Projektes „JuniorExperten - Kinder brauchen Männer“ Mario Braun. Die Bundesregierung und die Europäische Union haben 13 Millionen Euro bereitgestellt, um Männern den Erzieherberuf schmackhaft zu machen. „Die Kinder reagieren ganz toll auf die männliche Art, die Dinge zu sehen“, erklärt Susanne Wiese vom Institut für pädagogische Diagnostik Erfurt. Männer seien oft gelassener im Umgang mit den Knirpsen. Vor allem Jungs tue das gut.
Im Rahmen des Projektes „JuniorExperten“ wurden Eltern aus acht Thüringer Kindergärten zur Rollenverteilung in der Familie befragt. Das Resultat: „Väter sind immer noch unterrepräsentiert“, bedauert Braun. Vor allem Jungs fehle das männliche Vorbild, weil sich Väter zu wenig an der Erziehung beteiligten oder schlicht keine Zeit dafür hätten. „Die Kita soll das Leben abbilden.“. Kindern soll vorgelebt werden, wie Männer und Frauen miteinander umgehen, dass auch Kerle einfühlsam sein dürfen und Trost spenden.
Die Kinder im Montessori-Kinderhaus mögen Gischkowski. Mit den Jungs spielt er Räuber und Gendarm, sticht als Pirat in See und hilft beim Baumklettern im Hof des Kinderhauses. Für die Mädchen mimt er bei einem Familien-Rollenspiel auch mal das Kind, steht zum Kuscheln zur Verfügung und tröstet bei einem Zeckenbiss. Schon beim Studium an der Fachhochschule in Jena habe er gemerkt, dass es der richtige Beruf für ihn ist, erzählt der Sozialpädagoge. Im Kinderhaus Nohra ist er der einzige Mann. „Wir hätten gerne mehr, aber wir finden keine“, sagt die stellvertretende Leiterin Eike Berthold.
Abschreckend wirkt auf Männer, dass sie oft unter Generalverdacht stehen. Schnell wird ihnen unterstellt, Kinder sexuell anziehend zu finden. „Es gibt immer wieder Verdächtigungen und einige Eltern sind sehr skeptisch gegenüber männlichen Erziehern“, sagt Mario Braun. In Thüringen habe es bisher keine Probleme gegeben. „Wir haben aber schon von Einrichtungen gehört, in denen Männer keine Kleinkinder wickeln dürfen.“ Gischkowski nimmt das Thema gelassen. Er wohnt im Nachbardorf Ulla und genießt den Bonus eines Einheimischen. Die Eltern vertrauen ihm.
Voreilige Verdächtigungen sind nicht der einzige Grund, warum der Erzieherberuf bei Männern ein Image-Problem hat. „Das fängt schon bei der Frage an, ob Kitas getrennte Toiletten für Männer und Frauen haben“, erzählt Mario Braun. Kindergärten in freier Trägerschaft seien da oft fortschrittlicher als die staatlichen Einrichtungen. Das spiegelt sich auch in der Männerquote wieder. In Kindergärten mit freiem Träger sind immerhin über zwei Prozent der Angestellten Männer - in den staatlichen Kitas sind es nur etwas über ein Prozent.