Leistungsdruck im Job: Auf Körpersignale achten
Darmstadt (dpa/tmn) - In unserer Gesellschaft ist der Druck, gute Leistungen zu bringen, enorm. Doch der Mensch ist nur begrenzt belastbar. Wenn der Stress zu groß wird, sollte man seine eigenen Ziele hinterfragen.
Und die Notbremse ziehen, sobald Beschwerden auftreten.
Leistungsdruck kennen inzwischen schon Grundschüler. Schließlich sollen sie einen guten Start ins Leben haben: Dafür gilt oft als erforderlich, dass sie Englisch sprechen, Hockey spielen, ein Instrument beherrschen und ein gutes Abitur machen. Und was oft schon mit sechs Jahren beginnt, hört für Erwachsene nicht auf - im Gegenteil. „Die Anforderungen steigen immer mehr. Viele gönnen sich kaum noch Pausen, sind ständig verfügbar“, sagt die Psychologin Claudia Schmeink aus Darmstadt. Das führe in manchen Fällen zu enormen Druck bis hin zu einem Burnout.
„Wie und ab welchem Level Leistungsdruck empfunden wird, ist sehr individuell“, sagt der Offenbacher Psychologe Werner Gross. Dabei hat der Druck in der Regel zwei Komponenten. „Es gibt die externe Komponente, also objektive Anforderungen“, erklärt Schmeink. Und dann gibt es die interne Komponente. Bei der geht es mehr darum, wie die jeweilige Person mit den Anforderungen umgeht und ob sie etwa glaubt, dass sie es schaffen kann.
Die Hamburger Karriereberaterin Svenja Hofert glaubt, dass das Empfinden von Leistungsdruck oftmals ein Ausdruck fehlender Anerkennung ist. „Natürlich hat das Wort Leistungsdruck eine negative Konnotation. Denn wenn es eine Herausforderung ist, empfinde ich das nicht als Druck, sondern als Motivation“, sagt sie. Und Werner Gross fügt hinzu: „Fordern ist gut, überfordern ist nicht gut.“ Ein Glaubenssatz von Piloten laute, dass ein guter Pilot auf dem Weg zum Flugzeug einen erhöhten Erregungspegel habe. „Im Cockpit selber ist er dann aber cool, calm and collected. Also ruhig und besonnen.“
Allerdings ist es gerade in unserer Leistungsgesellschaft extrem schwierig, diese Ausgeglichenheit zu erlangen. „Zu sagen, 'Ich schaff das nicht' führt in vielen Branchen zu einem enormen Imageverlust“, sagt der Offenbacher Psychologe. Das sei oft sogar im Privaten schwierig, da die meisten Menschen nicht nur im Beruf unter Anspannung stünden. Wichtig ist, dagegen zu steuern.
Das ist natürlich leichter gesagt als getan. „Es sind ja oft die eigenen Glaubenssätze, die man meist schon als Kind mitbekommen hat, die einen zur Leistung anleiten“, gibt Schmeink zu bedenken. Sie rät dazu, die „Antreiber“ des eigenen Handelns zu erkunden und zu hinterfragen. „Warum glaube ich, das eine oder andere schaffen zu müssen? Wie wichtig ist es mir wirklich und warum?“
Da helfe es, mit Adlerblick das eigene Leben zu betrachten. Das schaffe in der Regel eine gesunde Distanz. „Dann kann man sich fragen, was man denn eigentlich im Leben erreichen will“, rät die Psychologin. Allerdings sollte das nicht wieder an einen Leistungsgedanken gekoppelt sein.
„Wichtig ist, sich zu fragen, wo die Quelle für den empfundenen Leistungsdruck liegt“, sagt Karriereberaterin Hofert. Dann gelte es nach Lösungsansätzen zu suchen. „Dann muss man sich überlegen, ob man tatsächlich den Job wechselt, man muss seine eigenen Werte hinterfragen oder sich entscheiden, nur noch Dienst nach Vorschrift zu machen.“
Einig sind sich die Psychologen, dass der Mensch nur begrenzt belastbar ist. „Es ist ein frommer Wunsch, aber eine Entschleunigung des Lebens täte unserer angstmotivierten Gesellschaft sehr gut“, sagt Gross. Er rät Stressgeplagten, sich positive Scheuklappen anzulegen und nicht jedem Hasen nachzujagen. Doch auch der Psychologe weiß, dass das in der Praxis gar nicht so leicht ist.
Literatur:
Gross, Werner: Aber nicht um jeden Preis - Karriere und Lebensglück, Kreuz Verlag, 220 Seiten, 17,95 Euro, ISBN-13: 978-3-7831-3436-0