Mehr Studenten - aber Dozenten und Wohnungen fehlen
Berlin (dpa) - Noch nie studierten in Deutschland so viele junge Menschen. Doch die Aufwendungen des Staates halten mit dem Studienanfänger-Boom bei weitem nicht Schritt. Es fehlen Dozenten, Wohnungen und Mensa-Plätze.
Die Zahl der Studenten hat in diesem Wintersemester mit 2,5 Millionen einen neuen Rekordstand erreicht. Zugleich hat sich die Betreuungssituation trotz zusätzlicher Milliarden-Hilfen aus dem Hochschulpakt von Bund und Ländern verschlechtert. 2010 musste ein Universitätsdozent im Schnitt noch 13 Studierende betreuen, 2011 waren es schon 13,7, berichtete das Statistische Bundesamt am Mittwoch (5. Dezember) in Berlin.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) forderte Bund und Länder auf, nicht nur in zusätzliche Studienplätze zu investieren, sondern auch die soziale Infrastruktur an den Hochschulen zu verbessern. „Zum Studium gehört auch ein erschwingliches Dach über dem Kopf, ein Platz in der Mensa und eine kompetente Studienberatung“, sagte DSW-Präsident Dieter Timmermann. Für 25 000 zusätzliche Wohnheimplätze sollten Bund und Länder gemeinsam 660 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung stellen, forderte er bei der DSW-Jahrestagung. 200 Millionen Euro seien für den Ausbau der Mensen notwendig.
Wie aus der neuen Hochschulstatistik des Wiesbadener Bundesamtes hervorgeht, hat sich vor allem das Betreuungsverhältnis an den stark nachgefragten Fachhochschulen verschlechtert. Kamen 2010 auf einen Dozenten noch 23,6 Studierende, waren dies 2011 bereits 24,5. Zugleich hatten die Fachhochschulen weniger Grundmittel für die Lehre zur Verfügung. Die Personalausgaben pro Studierendem sanken zwischen 2010 und 2001 preisbereinigt um 17,8 Prozent, an den Universitäten hingegen nur um 5,5 Prozent.
Der aktuelle Studienanfängerboom hat mehrere Gründe. Zum einen verlassen derzeit besonders geburtenstarke Jahrgänge die Schulen. Hinzu kommen in einigen Ländern doppelte Abiturientenjahrgänge wegen der Schulzeitverkürzung am Gymnasium. Im vergangenen Jahr wurde zudem die Wehrpflicht ausgesetzt. 2001 verließen erst 343 500 junge Menschen mit Abitur oder Fachhochschulreife ihre Schule, 2011 waren es 506 500. Mehr als jede dritte Studienberechtigung (36 Prozent) wird inzwischen an einer beruflichen Schule erworben.
Angekommen bei den jungen Menschen sind offenbar die Befürchtungen der Wirtschaft über einen zunehmenden Mangel an Ingenieuren. Die Zahl der Studienanfänger in naturwissenschaftlich-technischen Fächern nahm am stärksten beim Maschinenbau und in der Verfahrenstechnik zu, ebenso im Bauingenieurwesen. Inzwischen nehmen 40 Prozent der Erstsemester ein Studium in einer naturwissenschaftlichen oder technischen Disziplin auf, 2001 waren dies erst 35 Prozent.
Immer mehr deutsche Studenten gehen für eine Zeit lang ins Ausland. Ihre Zahl hat sich zwischen 2001 und 2010 mehr als verdoppelt - und zwar von 53 300 auf 126 600. 2001 konnten erst 2,9 Prozent der deutschen Studenten auf ein Auslandssemester verweisen, 2010 lag diese Quote bei 5,7 Prozent. Im Gegenzug ist auch Deutschland für ausländische Studierende attraktiv. Derzeit sind 192 000 junge Menschen an Hochschulen der Bundesrepublik eingeschrieben, die ihr Abitur nicht in Deutschland erworben haben.