Mit 17 an die Uni: Worauf Campus-Küken achten müssen
Köln (dpa/tmn) - Volljährig oder nicht: Vom Alter hängt es nicht ab, ob jemand im Hörsaal mitkommt. Probleme bereitet minderjährigen Studenten eher die Bürokratie. Denn ohne die Eltern dürfen sie fast nichts.
Doch die Unis rüsten sich für die Campus-Küken.
Die Immatrikulation hinter sich bringen, ein WG-Zimmer suchen, einen Job in der Kneipe um die Ecke finden: So sehen die ersten Schritte im Studium für die meisten jungen Leute aus - wenn sie volljährig sind. Doch mit dem Abitur in acht Jahren und ohne Verpflichtung zum Wehr- oder Ersatzdienst gibt es immer mehr minderjährige Schulabgänger. Während einige die Zeit zunächst für eine Orientierungsphase nutzen, gehen andere Absolventen direkt an die Hochschulen. 1433 waren es laut dem Statistischen Bundesamt im Wintersemester 2011/2012. Und die stellen die Hochschulen vor einige Probleme.
Die Einschreibung, der Antrag für die Mensa- oder Bibliothekskarte, der Zugang zum Computernetzwerk: Das alles ist bürokratischer Aufwand, aber meist mit einer Unterschrift getan. Nicht so bei minderjährigen Studienanfängern. „Sie sind nur beschränkt geschäftsfähig“, sagt Susann Bobusch, Rechtsanwältin in der Kanzlei Birnbaum und Partner in Köln. Für Rechtsgeschäfte brauchen sie immer die Einwilligung der Eltern. „Verträge sind sonst schwebend unwirksam und gelten erst, wenn die Eltern nachträglich zustimmen.“ Steht der Student kurz vor seinem 18. Geburtstag, kann er den Vertrag möglicherweise rückwirkend selbst wirksam machen.
Für alle Formalitäten aber muss die Hochschule eine Unterschrift verlangen - bei Minderjährigen also die der gesetzlichen Vertreter. Besondere Probleme macht das Computer-Netzwerk. Denn die Hochschule muss gewährleisten, dass Minderjährige nicht auf pornografische Seiten zugreifen können. Auch ein Studienfach, das den Umgang mit gefährlichen Chemikalien fordert, kann zur Schwierigkeit werden - denn der Umgang damit ist Jugendlichen gesetzlich untersagt. Ohne die Zustimmung der Eltern geht bei den Uni-Küken deshalb fast nichts.
Doch die Unis rüsten sich. Viele Hochschulen lassen ihre Jung-Studenten inzwischen mit einer Generalvollmacht der Eltern erscheinen. Denn die erleichtert den gesamten Einschreibungsprozess: Auch an der Universität Duisburg-Essen (UDE) wird das so gehandhabt: „Die Eltern unterschreiben eine Generalvollmacht, damit werden alle rechtlichen Belange abgesichert“, sagt Uni-Sprecherin Katrin Koster.
Ein Sonderfall ist Baden-Württemberg. Hier ist das Hochschulgesetz geändert worden, damit die jungen Studenten weniger Probleme auf dem Campus haben. Hier heißt es nun: „Minderjährige, die eine Hochschulzugangsberechtigung besitzen, sind für Verfahrenshandlungen zur Aufnahme, Durchführung und Beendigung eines Studiums handlungsfähig (...).“
Wer nicht in Baden-Württemberg zur Hochschule geht, muss seine Generalvollmacht exakt formulieren, sagt Anwältin Bobusch: „Sie bedarf einer Konkretisierung, die alle studienrelevanten Aktivitäten betrifft.“ Darin muss etwa enthalten sein, dass das Kind die Angebote der Hochschule nutzen darf und dies auch freiwillige Angebote wie den Hochschulsport oder studentische Veranstaltungen umfasst. Auch das Wahlrecht für das Studentenparlament kann den minderjährigen Studenten eingeräumt werden.
Nach den Erfahrungen an der UDE, die unter ihren fast 40 000 Studenten derzeit 17 Minderjährige hat, sind die Hürden schnell genommen. „Die Hochschulen haben sich in den vergangenen Jahren darauf eingestellt, dass nicht alle ihre Studienanfänger volljährig sind“, sagt Stefan Grob, Sprecher des Deutschen Studentenwerks in Berlin. Von Überforderung ist bei den Uni-Küken auch nichts zu merken. „Sie haben genau dieselben Fragen wie die anderen Erstsemester“, sagt Koster.
Auch Grob hat selten von echten Problemen bei den jungen Erstsemestern gehört: „Das sind ja oft die sogenannten Schnellläufer, die Klassen überspringen und dann mit 17 schon ein soziales Jahr hinter sich haben“, sagt er. Daher gibt es in der Regel weder intellektuelle Probleme, noch hinken die Studenten in der psychischen Entwicklung ihren Kommilitonen hinterher. Viele minderjährige Studenten kennen den Hochschulalltag auch bereits vom Schülerstudium und finden sich gut zurecht, sagt UDE-Sprecherin Koster.
Probleme haben die Uni-Küken eher in ihrer Freizeit - jenseits der Seminare und Vorlesungen. Denn da ist der Unterschied beim Geburtsdatum am gravierendsten: Nicht nur dürfen Minderjährige nicht selbst den Mietvertrag für ihr Wohnheim- oder WG-Zimmer unterschreiben, sie haben auch bei Uni-Partys das Nachsehen. „An Minderjährige darf kein harter Alkohol ausgeschenkt werden, und sie dürfen maximal bis Mitternacht feiern“, sagt Anwältin Bobusch. Doch allzu große Sorgen sollten sich minderjährige Studenten nicht machen. Zwar habe die Hochschule bei allen Feiern auf dem Campus eine Aufsichtspflicht. Doch über eine Belehrung werde es kaum hinausgehen, wenn der jugendliche Student erwischt wird.