Mit Gesundheitsförderung „alte Eisen“ und Nachwuchs sichern
Hamburg (dpa) - Die emotionsgeladene Debatte um die Rente mit 63 hat ein weiteres Thema hochgespült: Wie können Menschen über Jahrzehnte fit für den Job bleiben? In vielen Betrieben sind Gesundheitsprogramme angelaufen.
Ein Pauschalrezept gibt es dafür aber nicht.
Fachkräftemangel, demografischer Wandel, Rentendebatte: Es vergeht kaum ein Tag, an dem in Deutschland nicht über die Entwicklung des Arbeitsmarktes und die künftige Wettbewerbsfähigkeit debattiert wird. „Wir müssen den demografischen Wandel aktiv gestalten!“, fordert das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI). „Innovative und leistungsfähige Mitarbeiter sind in Zeiten des demografischen Wandels ein zentraler Wettbewerbsfaktor und tragen wesentlich zum Erfolg des Unternehmens bei“, legt die Handelskammer nach und ermittelt zugleich, wie es um das betriebliche Gesundheitsmanagement im Hamburger Mittelstand bestellt ist.
In vielen Branchen ist der befürchtete Fachkräftemangel Thema. Es geht darum, im „War of Talents“ - im Kampf um die besten Bewerber - attraktive Arbeitsplätze anzubieten. „Die Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der Mitarbeiter zu fördern, ist daher kein Luxus, sondern eine Investition in die Zukunft des eigenen Unternehmens“, mahnt die Kammer. Sie hat herausgefunden, dass ein Drittel der Hamburger Firmen ein Gesundheitsmanagement eingeführt hat, vor allem Dienstleister und Logistiker seien dabei vorn. Zu den Gründen, warum Firmen sich um das Wohl ihrer Angestellten kümmern, zählt demnach auch: Personalbindung und Verbesserung des Arbeitgeber-Images.
Bundesweit ist die betriebliche Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz nach Ansicht der Personal-Expertin Nele Graf aber noch ein Flickenteppich. „Es wird häufig über Angebote diskutiert - von Sportkursen bis zu gesundem Kantinenessen -, aber was fehlt, ist eine strategische Planung“, sagt die Professorin für Personal und Organisation. Jedes Unternehmen müsse dabei sein eigenes Konzept finden: „Es bringt nichts, von anderen Unternehmen zu kopieren - dafür sind die Unterschiede in Belegschaft, Betriebsklima und Führung einfach zu groß.“
In Großkonzernen wie beispielsweise British American Tobacco (BAT) oder bei der Otto Group gehört das betriebliche Gesundheitsmanagement zum Alltag. Neben Fitness-Angeboten für BAT-Büroangestellte wurde auch für die 200 Außendienstmitarbeiter - zumeist kilometerfressende Autofahrer - ein Programm aufgelegt. Etwa jeder Vierte macht mit, ein Trainer coacht längerfristig und sogar über Bildtelefon (Skype).
„Wir mussten etwas tun, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagt Personalchef Leif Lümkemann. Offensichtlich zahlen sich solche Investitionen - ins BAT-Gesundheitsmanagement fließt eine Summe „im Bereich der oberen hunderttausend Euro“ - aus. Der Krankenstand im Außendienst sei 2013 verglichen mit dem Vorjahr um ein Fünftel zurückgegangen. „Wir wollen den demografischen Wandel vorbereiten, mit lebensphasenorientierter Personalarbeit“, betont Lümkemann. Er lässt sich selbst zweimal wöchentlich vom Fitnesstrainer „quälen“, wie er ironisch hinzufügt.
„Nur Spaß oder Schmerz bringen einen Menschen dazu, etwas für seine Gesundheit zu tun“, ist Karsten von Rabenau überzeugt. Er leitet beim Handelskonzern Otto das Gesundheitsmanagement. Medizinische Versorgung, soziale und psychologische Beratung sowie ein Fitnessstudio mit Übungsraum für Kurse wie Pilates, Rückengymnastik und Kickboxen gehören bei Otto dazu.
Wie der Sprecher des Arbeitgeberverbandes Chemie Nord, Alexander Warstat, hat auch Rabenau die Erfahrung gemacht, dass der Gesundheitsaspekt bei Jobeinsteigern an Bedeutung gewinnt. „Jüngere fragen in Bewerbungsgesprächen vermehrt danach, was ein Betrieb zum Wohl der Gesundheit bietet oder wie sich der Beruf mit Familie und Freizeit in Einklang bringen lässt“, sagt Warstat. „Die jüngere Generation wird viel mehr auf Work-Life-Balance achten“, meint Rabenau. Schließlich soll sie angesichts schrumpfender Bevölkerung - ergo weniger Erwerbstätigen - und späterem Rentenbezug möglichst lange für die Arbeitswelt fit bleiben.