Morgens Azubi, nachmittags Mama - Ausbildung in Teilzeit

Bonn (dpa/tmn) - Wenn junge Menschen Kinder bekommen oder Angehörige pflegen, müssen sie oft ihre Ausbildung abbrechen oder können ihre Lehre nicht antreten. Damit sie trotz familiärer Verpflichtungen nicht ohne Abschluss dastehen, können sie auch in Teilzeit lernen.

Als Sarah Jagemann 19 Jahre alt war, bekam sie Zwillinge. Ein schönes Ereignis, eigentlich. Ein Hindernis aber beim Berufseinstieg. Eine reguläre Ausbildung, 40 Stunden pro Woche, war unmöglich mit zwei kleinen Kindern. Aber eine Ausbildungsstelle mit reduzierter Stundenzahl - das war eine Option. „Ich habe mich schlaugemacht“, sagt die Fachangestellte für Bürokommunikation. Mehrere Zufälle hätten sie schließlich zum Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland (CJD) gebracht. „Dort half man mir bei den Bewerbungen, ich wurde auf Vorstellungsgespräche vorbereitet.“

Und Sarah Jagemann bekam die Möglichkeit, sich beim Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn ausbilden zu lassen. In Teilzeit, 25 Stunden die Woche. Die junge Frau arbeitete fünf Stunden pro Tag, so blieb genügend Zeit für ihre Zwillinge. Drei Jahre hat die Ausbildung gedauert, im Anschluss ist sie übernommen worden - ebenfalls in Teilzeit. „Jetzt arbeite ich 30 Stunden“, sagt die 26-Jährige.

„Die Möglichkeit der Teilzeitausbildung richtet sich speziell an junge Eltern oder Auszubildende mit Familienverantwortung, die zum Beispiel einen Angehörigen pflegen“, erklärt Annette Land. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Programm Jobstarter in Bonn. Derzeit nutzten hauptsächlich junge Frauen die Möglichkeit, die Ausbildungszeit zu verkürzen.

Zwei Möglichkeiten gibt es, sich für eine Ausbildung in Teilzeit zu bewerben: Die herkömmliche Variante, direkt mit den Unternehmen in Kontakt zu treten und sich auf eine Ausbildungsstelle zu bewerben - mit dem Vermerk, dass man wegen familiärer Gegebenheiten in Teilzeit ausgebildet werden möchte. Die Alternative: Man kann von verschiedenen Projekten wie dem CJD bei einem Ausbildungsbetrieb vorgeschlagen werden, sagt Land. Die Arbeitsagenturen kennen sich damit aus. Am besten fragen Jugendliche dort nach.

„Grundlage für die Teilzeitausbildung ist die im Berufsbildungsgesetz verankerte Möglichkeit, bei berechtigtem Interesse die tägliche oder wöchentliche Ausbildungszeit zu verkürzen“, sagt Beckers. Dabei habe sich ein Ausbildungsmodell mit einer Arbeitszeit zwischen 20 und 30 Wochenstunden bewährt. Viele Auszubildende schaffen die Prüfungen in der regulären Ausbildungszeit. Bei Bedarf können sie die Ausbildungsdauer auch verlängern. „Der Berufsschulunterricht findet dabei unverändert in Vollzeitform statt“, erläutert Beckers. Weder die Ausbildungsinhalte noch die abzulegende Abschlussprüfung ändern sich bei den Teilzeit-Lernenden.

Bislang lernen nur wenige nach diesem Modell. Doch die Zahlen sind noch eher gering. Bundesweit haben 2011 lediglich 0,2 Prozent der jungen Menschen einen Ausbildungsvertrag mit geringerer Stundenzahl. Aktuellere Zahlen gibt es bislang nicht.

Dabei bringen die junge Leute eine Menge Fähigkeiten mit, die ihre Kollegen, die gerade erst mit der Schule fertig sind, in vielen Fällen noch nicht haben. „Mütter und Väter bringen besondere Leistungsbereitschaft mit und sind in der Regel sehr zielstrebig“, sagt Beckers. Auch Land betont, dass die Teilzeit-Azubis eine gewissen Reife mitbringen und hohe soziale Kompetenz. „Sie engagieren sich sehr, schließlich wollen sie ihren Kindern ein Vorbild sein.“