Bundesverfassungsgericht Neue Chance trotz Vergleichs mit Plumpsklo - Zulassungssperre für Anwältin aufgehoben
Die heute 35-jährige Juristin hatte sich während ihrer Ausbildung mehrfach mit ihrem ausbildenden Staatsanwalt gestritten. Als sie von ihm nur ein "befriedigend" erhielt, machte sie ihrem Ärger in einer E-Mail Luft.
Karlsruhe. Auch nach derben Beleidigungen ihres Ausbilders kann eine junge Juristin nicht automatisch vom Beruf der Rechtsanwältin ausgeschlossen werden. Entscheidend ist eine Prognose, ob sie dann künftig das Funktionieren der Rechtspflege beeinträchtigen könnte, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschied. (Az: 1 BvR 1822/16)
Die heute 35-jährige Juristin hatte sich während ihrer Ausbildung mehrfach mit ihrem ausbildenden Staatsanwalt gestritten. Als sie von ihm nur ein "befriedigend" erhielt, machte sie ihrem Ärger in einer E-Mail Luft.
Darin schrieb sie: "Sie sind ein provinzieller Staatsanwalt, der nie aus dem Kaff rausgekommen ist, in dem er versauert. Ihr Weltbild entspricht dem des typischen deutschen Staatsbürgers von 1940. Mit Ihrem Leben und Ihrer Person sind Sie so zufrieden wie das Loch vom Plumpsklo. (...) Als Sie mich vor sich hatten, sind Sie von Neid fast verblasst. Ich konnte Ihren Hass geradezu sinnlich wahrnehmen. Am liebsten hätten Sie mich vergast, aber das ist ja heute out."
Wegen Beleidigung wurde sie zu einer Geldstrafe von 1800 Euro verurteilt. In diesem Verfahren war sie auch gegenüber der ermittelnden Oberstaatsanwältin nicht zimperlich und warf ihr vor, sich nicht an das Recht zu halten. "Sollte das eine Frage der inneren Einstellung sein, gehören Sie nicht in den Justizdienst. Sollte das intellektuell bedingt sein, so besuchen Sie doch noch einmal eine Grundstudiumsvorlesung."
Trotz aller Querelen legte die Rechtsreferendarin ihre zweite juristische Staatsprüfung erfolgreich ab. Die Rechtsanwaltskammer Köln wollte sie aber nicht als Rechtsanwältin zulassen und verhängte eine fünfjährige Sperre. Die junge Frau sei für den Anwaltsberuf "unwürdig".
Der Anwaltsgerichtshof bestätigte dies - vorschnell, wie nun das Bundesverfassungsgericht entschied. Die Versagung der Zulassung wegen Unwürdigkeit sei eng auszulegen. Schließlich stehe dem das Grundrecht der Berufsfreiheit gegenüber.
Entscheidend sei eine Würdigung der Gesamtpersönlichkeit und eine Prognose, ob die Juristin "im Fall ihrer Zulassung als Rechtsanwältin in einer Art und Weise auftreten würde, die das Vertrauen in die Integrität der Rechtsanwaltschaft insbesondere im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege beeinträchtigen könnte". Diese Prognose muss der Anwaltsgerichtshof nun noch nachholen. xmw/cfm AFP