Nicht nur für Landeier: Studieren in Kleinstädten

Hamburg/Greifswald (dpa/tmn) - Unis in Großstädten sind oft überlaufen - heute mehr denn je. Mancher Bewerber muss daher in die Provinz ausweichen. Ein Leben dort schreckt viele. Doch die Kleinstadt hat Vorteile: etwa kurze Anfahrtswege und geringe Kosten.

„Die Entscheidung für ein Studium sollte eine fachliche Entscheidung sein“, sagt Thomas Vielhauer von der Agentur für Arbeit in Hamburg. Doch auch das schönste Studium macht keinen Spaß, wenn der Studienort der falsche ist. Manche Studenten brechen sogar die Uni ab, weil sie sich in der gewählten Stadt nicht wohlfühlen. Ob Großstadt oder Kleinstadt - das hängt ganz von der Persönlichkeit des Studienanfängers ab. Doch Vorurteile gegen Kleinstädte wie: „Hier ist es sterbenslangweilig“ sind unangebracht.

„Man hat in Städten wie Greifswald schlichtweg den Vorteil: Es ist klein und überschaubar“, sagt Stefan Hatz, Sprecher der Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen (GIBeT) in Greifswald. Die Studenten seien nicht wie in Berlin ewig mit der S-Bahn unterwegs, um zur nächsten Vorlesung zu kommen. In Greifswald sei es sehr wohl zu schaffen, innerhalb des akademischen Viertels von A nach B zu kommen und pünktlich im Seminar zu sitzen.

Ein weiterer Vorteil ist: „Man trifft permanent Freunde und Bekannte, ohne dass man sich verabreden muss“, sagt Thomas Faust vom Studentenwerk Halle. In Halle herrsche eine familiäre Atmosphäre, wobei er Wert darauf legt, dass Halle mit rund 235 000 Einwohnern keinesfalls eine Kleinstadt ist.

Wenn man sich aber nach dem Abitur für die nächste Stadt neben dem Heimatort entscheidet, können diese familiären Strukturen auch ein Nachteil sein. „Ein Studium sollte immer heißen: Man setzt sich dem Neuen aus“, sagt Stefan Grob, Pressesprecher des Deutschen Studentenwerks in Berlin. In kleineren Städten bestehe die Gefahr, aufgrund der kurzen Wege bequem und selbstgenügsam zu werden.

Ein Vorteil ist wiederum, dass die Fachbereiche in kleineren Städten relativ klein sind. „Wenn nicht mit dem Namen, ist man doch mit dem Gesicht bekannt“, sagt Hatz. Wer also in kleineren Städten einen Dozenten auf dem Flur trifft, muss unter Umständen nicht sein Problem haarklein referieren, denn der Dozent hat vielleicht schon gemerkt, dass man in der letzten Vorlesung nur Bahnhof verstanden hat.

Ähnliches gilt auch für die Mitstudenten. „Es ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, wenn man die Kommilitonen kennt“, sagt Hatz. Die schauen dann auch mal nach einem, wenn man in der Vorlesung fehlt und schicken einen zur Studienberatung. „Das hat man an einer Massenuni nicht.“ Ob da ein Kommilitone neben einem sitze oder nicht, sei nebensächlich. Denn die Gesichter kenne man ohnehin nicht.

Auch die Freizeit lässt sich in kleinen Städten durchaus füllen. In Halle gebe es zwar weniger Clubs als in München oder Berlin, sagt Faust. Aber die Diskos und Bars konzentrieren sich auf den Bereich der Innenstadt, und man kann abends problemlos von einer Kneipe in die nächste ziehen.

Schwieriger wird es schon, wenn man neben dem Studium Praktika machen oder jobben will. „Das ist gerade, wenn es um ländliche Regionen geht, schwierig“, sagt Hatz. Besser sei das nur in kleinen Orten in Nordrhein-Westfalen. Denn im Ballungsraum des Ruhrgebiets wird wohl jeder fündig, der sucht. Aber dennoch beruhigt Faust für Halle: „Wenn man hier nebenbei jobben will, funktioniert das auch.“ In der Universität gebe es Stellen für Hilfskräfte, und die Gastronomie suche immer Kellner.

Außerdem ist das Leben in der Kleinstadt oft billiger als in der Großstadt. Laut der 19. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks brauchen Studenten im Schnitt für das tägliche Leben inklusive Wohnen, Essen, Fahrten und Freizeitvergnügen rund 757 Euro. Greifswald liegt da laut Hatz mit 688 Euro wesentlich drunter. „Hier gibt es keine Fahrtkosten. Man macht hier alles mit dem Fahrrad“, erklärt der GIBeT-Sprecher. Auch die Mensen seien in kleineren Hochschulen oft günstiger.

Die Entscheidung sollte man sich also gut überlegen. Der Experte Vielhauer rät, zu den in der engeren Auswahl stehenden Studienorten hinzufahren und sich vor Ort umzusehen. Dort sollte man ruhig auch Studenten ansprechen und sie nach ihren Erfahrungen fragen. Außerdem sollte man sich eine Vorlesung anhören. Und er hat noch einen Tipp: Die Fächerwahl sollte die Wahl des Studienorts mitbeeinflussen. Wer in die Medien möchte, sollte in einer Stadt mit vielen Redaktionen studieren. Wer in die Politik will, sollte sich in Berlin umsehen.