Nicken reicht nicht - Zu wenig Lob sorgt für Stress im Team

Berlin (dpa/tmn) - Bevor der Chef im Mitarbeitergespräch mit der Kritik loslegt, gibt es oft ein paar anerkennende Worte. Die soll eine gute Stimmung schaffen und das Gegenüber für Kritik öffnen. Die Taktik ist allerdings leicht zu durchschauen und lässt das Lob zur wirkungslosen Floskel geraten.

Foto: dpa

Damit ein Unternehmen gut funktioniert, brauchen Mitarbeiter aber regelmäßig Anerkennung. Wenn es der Chef nicht hinbekommt, sind die Kollegen selbst gefragt. Die zeigten sich in einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Forum von 2014 wenig euphorisch. Etwas weniger als die Hälfte der Befragten gab an, regelmäßig für gute Arbeit gelobt zu werden (48 Prozent). Welche Branche, wie groß das Unternehmen, ob Ost oder West, machte dabei kaum einen Unterschied. Ist das zu wenig?

„Wir haben in Deutschland keine fürchterliche Unlob-Kultur“, sagt Professor Jörg Felfe von der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. „Aber sicherlich gibt es viel Spielraum nach oben, qualitativ und quantitativ.“

Aber warum ist ein Lob überhaupt so wichtig? Systematische Belohnung wirke sich positiv aus auf Leistung, Motivation und Zufriedenheit der Mitarbeiter sowie auf ihre Verbundenheit zum Unternehmen, sagt Felfe. Umgekehrt könne mangelnde Wertschätzung Stress und Gereiztheit zur Folge haben. Diesen Zusammenhang zeigen Felfe zufolge psychologische Studien recht deutlich. „Die Wirkung von Lob lässt sich sogar neurologisch nachweisen.“ Lob und Anerkennung entfalten danach eine ähnliche Wirkung wie Geldprämien.

Beim Loben kann allerdings einiges schieflaufen. Das beobachtet die Management-Trainerin Silke Anbuhl vom Deutschen Verband für Coaching und Training. Hebt der Chef einen Mitarbeiter ganz besonders hervor, könne das die anderen demotivieren. Grundsätzlich sei es daher besser, das Vier-Augen-Gespräch zu suchen. Es sei denn, es geht tatsächlich um eine außergewöhnlich gute Leistung. Bei einer Teamarbeit sollte der Chef seine Anerkennung gegenüber allen Beteiligten ausdrücken.

Anbuhl warnt außerdem davor, zu häufig Charaktereigenschaften zu loben. Anders als an Verhaltensweisen könne man daran nämlich wenig ändern. Gelobt werden sollte auch nicht erst nach Wochen, sondern möglichst bald. „Wenn es geht durchaus noch am gleichen Tag“, sagt die Psychologin. Nach Ansicht von Felfe komme es vor allem darauf an, dass das Lob konkret sowie authentisch und damit ehrlich ist.

Wenn der Chef partout nicht loben will, sollten Mitarbeiter das Gespräch mit ihm suchen und das Lob einfordern, rät Anbuhl. Das lasse sich auch diplomatisch formulieren. „Man sollte sagen, dass man seine eigene Leistung nicht einschätzen kann und sich ein Feedback wünscht.“ Und zwar unabhängig von Mitarbeitergesprächen, die viele als abgedroschen empfänden.

Manchmal nehmen Chefs auch einfach nicht wahr, dass sie zu selten Anerkennung aussprechen. „Führungskräfte glauben oft, dass sie häufiger loben, als sie das tatsächlich tun“, sagt Felfe. „Aus der Angst heraus, zu viel zu loben und Mitarbeitern dadurch den Ansporn zu nehmen, lassen sie es gleich ganz.“ Probleme mit dem Loben hätten außerdem Chefs, die einen freundschaftlichen Umgang mit ihren Mitarbeitern pflegten. „Loben bedeutet nämlich immer auch ein Stück weit, sich über den anderen zu stellen.“

Deshalb kann Felfe zufolge auch ein Lob unter Kollegen schwierig werden. Wenn ein Lob von jemandem komme, von dem man eh nichts annimmt oder der selbst nichts leistet, dann verpufft es. Trainerin Anbuhl hält Anerkennung auf Teamebene dennoch für wichtig. Über ein solches Lob aus unerwarteter Ecke seien Kollegen häufig sehr erfreut.