Respekt und reden: Integration von Flüchtlingen im Betrieb

Potsdam (dpa/tmn) - Wer einen Flüchtling beschäftigen möchte, stellt sich häufig die Frage: Wie lässt sich jemand aus einem anderen Kulturkreis am besten in die Firma integrieren? „Man muss sich vor allen Dingen Zeit für einander nehmen“, sagt Connie Voigt.

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Sie ist Coach zum Thema interkulturelle Kompetenzen in Potsdam und hat mehrjährige Erfahrung etwa mit Mitarbeitern aus Syrien, Libanon und Irak. Mancher habe den Irrglauben: „Ich hole jemanden hier rein und das läuft dann so“, erzählt sie. Doch ohne die Muße und Geduld, sich auch auf persönlicher Ebene kennenzulernen, ist häufig ein Scheitern die Folge.

Ein Beispiel: Für Menschen aus dem arabischen Raum ist es in der Regel sehr wichtig, dem Gegenüber auf eine bestimmte Art und Weise Respekt zu erweisen. Dazu gehört etwa, dass man nicht gleich über die Arbeit und die Fähigkeiten des anderen spricht, sondern man erkundigt sich erst einmal nach der Person als solche: Woher kommt jemand? Hat er Familie? In Deutschland ist es genau umgekehrt: Bei der Arbeit reden Arbeitgeber und -nehmer erst einmal darüber, welche Aufgaben erledigt werden müssen. Sich nach zu vielen privaten Details zu erkundigen, wirkt schnell aufdringlich. Voigt rät Chefs und Mitarbeitern, sich aufrichtig nach dem Mitarbeiter zu erkundigen. Wer auf diesem Weg Respekt erweist, hat beim Gegenüber schon viel gewonnen.

Gleichzeitig sollten Vorgesetzte darauf achten, dass sie bestimmte Missverständnisse am besten schon im Vorstellungsgespräch ausräumen. Dazu gehört etwas das Thema Zeit: Wenn Arbeitsbeginn um 8.00 Uhr in der Früh ist, erwarten Arbeitgeber hier ein pünktliches Erscheinen. In anderen Ländern sei es dagegen durchaus in Ordnung, zwischen 8.00 und 9.00 Uhr zu kommen, wenn der Beginn für 8.00 Uhr angesetzt ist. „Um hier Ärger zu vermeiden, sollte man von Anfang an klar kommunizieren, was man erwartet und darauf vorbereitet sein, dass eine Uhrzeit in manchen Kulturen ein Zeitraum von einer Zeitstunde bedeuten kann“, rät Voigt.

Das Gleiche gilt beim Thema Frauen als Führungskräfte. „Frauen, die arbeiten und Chef sind, sind in Deutschland viel normaler als in der arabischen Welt“, erläutert Voigt. Hier rät sie, von Anfang an klar zu sagen: „So sieht unsere Gesellschaft aus. Und ich erwarte, dass in meinem Betrieb Frauen auf Augenhöhe behandelt werden.“ Ob der andere sich einfügen will, bekommt man am besten mit daran anschließenden Fragen heraus: Wie sehen Sie weibliche Chefs? Welche Fragen und welche Erwartungen haben Sie?

Auch ein häufiger Konfliktherd: die Arbeitsweise. Deutsche arbeiten in der Regel Aufgaben systematisch von vorne nach hinten ab. Menschen aus dem arabischen Kulturkreis setzen häufiger auf Multitasking: Sie beginnen mit einer Sache, geht es damit nicht voran, machen sie mit einer zweiten weiter, dann fangen sie mit einer dritten an. Für deutsche Augen sehe das häufig chaotisch und unstrukturiert aus, sagt Voigt. Hier rät sie: erst einmal abwarten, nicht abwerten, sondern machen lassen. Führt die Arbeitsweise genauso zum Erfolg, kann der andere „seine“ Methode ja ruhig beibehalten.

Auf jeden Fall müssen Arbeitgeber und Kollegen erst einmal Zeit investieren. „Es gibt aber auch sehr viel zu gewinnen“, sagt Voigt. Gelingt die Integration in den Betrieb, ist die Dankbarkeit bei den neuen Mitarbeitern häufig so groß, dass sie ihrem Arbeitgeber überdurchschnittlich loyal sind.