Schreibtische erzählen manches über ihren Besitzer
Bonn/Stuttgart (dpa/tmn) - Ein Bikini-Foto von der Liebsten, ein Wimpel von Schalke 04 - da ist es gleich viel gemütlicher am Arbeitsplatz. Zu viel private Deko auf dem Schreibtisch kann bei Kollegen komisch ankommen.
Und der Chef macht sich seine ganz eigenen Gedanken.
Ein Foto von der Familie auf den Schreibtisch, daneben das Lieblings-Kuscheltier und ein Urlaubs-Mitbringsel - man will sich ja wohlfühlen im Büro. Aber Vorsicht: Kuschelatmosphäre am Arbeitsplatz kann die Kollegen nerven und den Chef an den Kompetenzen eines Mitarbeiters zweifeln lassen.
„Natürlich darf man sich so einrichten, dass man sich wohlfühlt. Aber es muss professionell bleiben“, sagt Gabriele Schlegel, Etikette-Trainerin in Bonn. Ein Familienfoto sei okay - ein Strandfoto in der Badehose eher nicht. „Ich muss immer überlegen: Wer steht an meinem Schreibtisch, und was denkt der von mir?“, sagt Schlegel. Auf dem Schreibtisch eines Kreditberaters, der regelmäßig mit Menschen in finanziellen Notlagen zu tun hat, wäre eine allzu frohsinnige Dekoration deplatziert.
„Die Erwartungen der Kunden müssen erfüllt werden“, sagt die Expertin. Gerade in Kreativbranchen, wo die Mitarbeiter ihre Individualität sogar bewusst einsetzen sollen, könne ein Schreibtisch deshalb auch mal ein bisschen anders aussehen: „Das versprüht dann eine gewisse lockere Genialität.“ Wer an seinem Arbeitsplatz nicht mit Kunden zu tun hat, ist ohnehin nicht ganz so strengen Regeln unterworfen. „Trotzdem sagt mein Arbeitsplatz einiges über mich aus“, betont Susanne Helbach-Grosser, Trainerin für Business-Etikette in Schwäbisch-Gmünd. „Versuchen Sie mal, mit fremden Augen auf ihren Schreibtisch zu schauen. Und dann fragen Sie sich, welche Rückschlüsse die Kollegen oder Vorgesetzten über Sie ziehen könnten“, rät die Expertin.
Gerade auf den Chef habe der Schreibtisch eine ganz eigene Wirkung: „Bei 'Volltischlern' wittern Vorgesetzte schnell Undiszipliniertheit, bei 'Leertischlern' Faulheit und mangelnde Kreativität.“ Es komme deshalb auf die richtige Mischung an. Generell rät Helbach-Grosser: Weg mit allen privaten Gegenständen, die ein seltsames Licht auf den Besitzer werfen könnten.
Ein gewisses Maß an Individualität sei trotzdem wichtig, sagt Jörg Kelter vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. „Die einen brauchen das kreative Chaos, die anderen brauchen eher das Gefühl: Ich habe Ordnung und Überblick.“ Vorgaben von Firmen, die möglichst alle Arbeitsplätze in einem Großraumbüro einheitlich gestaltet haben wollen, sieht er deshalb kritisch. „Aber insgesamt muss das Erscheinungsbild der Arbeitsplätze zum Unternehmen passen.
Schwieriger wird es in Büros, in denen Mitarbeiter keine festen Arbeitsplätze haben. „Da kann man abends nach Feierabend natürlich keine persönlichen Dinge liegen lassen“, sagt Helbach-Grosser. Wer trotzdem nicht auf ein bisschen Individualität verzichten möchte, könne ein paar private Gegenstände in seinem Spind lagern und jeden Morgen mit an seinen Schreibtisch nehmen.
Überbewerten dürfe man die Bedeutung von individuell gestalteten Arbeitsplätzen aber nicht, sagt Kelter: „Unter den 'weichen Faktoren' für das Wohlbefinden am Arbeitsplatz ist das Thema Dekoration gar nicht so relevant.“ In einer Studie mit 900 Teilnehmern hat das Fraunhofer Institut ganz andere Kernfaktoren herausgearbeitet: Entscheidend sei, ob den Beschäftigten das Büro insgesamt gefällt, wie die Arbeitsatmosphäre ist, und dass man Ruhe zum Nachdenken findet. „Eine gut gestaltete Büroumgebung ist viel wichtiger für die Wohlbefindlichkeit als die Frage, ob man ein Foto oder eine Figur auf seinen Schreibtisch stellen darf.“