Segelmacher - unterschätzter Beruf unter bunten Segeln

Travemünde (dpa) - Zu Zeiten der Windjammer war der Segelmacher einer der wichtigsten Männer an Bord. Nur er konnte vom Sturm zerfetzte Segel richtig reparieren. Heute sind es Freizeitsegler und Sportler, die seine Arbeit zu schätzen wissen.

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Die Besucher von Segelregatten interessieren sich meist nur für die Gewinner der Wettfahrten. Marko Haase hingegen will wissen, warum die Sieger am schnellsten waren. Dabei geht es ihm aber weniger um das seglerische Können der Crews oder taktische Finessen. Ihn interessieren die Segel, deren Schnitt, das Material und die Verarbeitung. Haase ist Segelmacher in zweiter Generation. In seiner Werkstatt in Travemünde entstehen Großsegel, Fock, Spinnaker und Co. - die „Motoren“ eines Segelbootes, wie Haase sagt.

Auch Elena Teudt hat diesen berufsspezifischen Blick nach oben, wenn sie ein Segelboot betrachtet. Sie ist 42 und Auszubildende im ersten Lehrjahr. Sie will Segelmacherin werden. „Ich komme aus Russland und habe früher am Schwarzen Meer Segelkurse für Kinder gegeben“, erzählt sie. „Hier an der Ostsee ist es mir dafür zu kalt, aber ich wollte gerne einen Beruf ergreifen, der was mit Segeln zu tun hat. So bin ich auf diese Ausbildung gekommen“, erzählt die Mutter einer siebenjährigen Tochter.

Sie steht auf dem Schnürboden ihres Ausbildungsbetriebes. Es ist eine große Halle, in der zugeschnittene Segelbahnen auf dem Boden liegen. Der Name stammt noch aus der Zeit, als die Umrisse der Segel mit Schnüren auf dem Boden markiert wurden. „Heute werden die Schnitte am Computer entworfen. Trotzdem erfordert der Beruf noch immer viel Handarbeit“, erklärt Elenas Chef Marko Haase.

Die zugeschnittenen Bahnen werden heutzutage mit Klebeband fixiert und dann mit Spezialmaschinen zusammengenäht. Zuschneiden und Nähen sind daher noch immer Grundfertigkeiten, die erlernt werden müssen. Aber auch das Spleißen und Walzen von Tauwerk und das Montieren und Trimmen von Segeln gehören dazu. Und noch etwas: „Wer Segelmacher werden will, sollte segeln können. Das erleichtert das Verständnis der Materie“, weiß Haase.

Statt aus schwerem, aus Hanf oder Flachs gewebtem Tuch werden Segel heute aus oft buntem Nylongewebe oder dem noch leichteren Laminat gefertigt. Doch Segelmacher stellen keineswegs nur Segel her. Aus ihren Werkstätten kommen auch Abdeckplanen für Boote, sogenannte Persennings, Bootsverdecke, Sonnensegel, auch Balkonbespannungen, Zelte oder Lastwagenplanen.

Weil die Aufgaben so vielseitig sind, haben Marko Haase und sein Bruder Carlo die vom Vater übernommene Firma vor einigen Jahren geteilt. „Marko ist für die Segel zuständig, ich kümmere mich um Persennings, Bootsverdecke und Sonnensegel“, erläutert Carlo die Arbeitsteilung. Elena absolviert ihre Ausbildung je zur Hälfte in beiden Betrieben. „Ich finde das sehr interessant, wenn wir eine Yacht für die Anfertigung einer Persenning oder eines Verdecks vermessen. Man sieht immer neue Bootstypen und lernt auch interessante Leute kennen“ sagt sie.

Die Ausbildung dauert drei Jahre. Wer Segelmacher werden will, braucht neben handwerklichem Geschick auch technisches Verständnis, Mathematik- und Physikkenntnisse. Und Genauigkeit. „Beim Segelmachen kommt es auf jeden Millimeter an“, sagt Marko Haase. Manche Auszubildende unterschätzten die Anforderungen des Berufes, sagt Britta Rosehr, die an der bundesoffenen Landesberufsschule auf dem Priwall in Lübeck-Travemünde die Segelmacher unterrichtet. „Wir haben in jedem Jahr im Durchschnitt 30 Auszubildende aus ganz Deutschland. Nicht alle wissen, was da auf sie zukommt“, sagt Rosehr.