Service Learning: Im Studium lernen Gutes zu tun
Köln (dpa/tmn) - Sie machen etwas Gutes und sammeln nebenbei noch Credit Points: Beim Service Learning wenden Studenten ihr Fachwissen in gemeinnützigen Projekten an. Das Lernkonzept stammt aus den USA.
Langsam wird es auch an deutschen Hochschulen populär.
Gesa Schlösser hat in ihrem Master-Studiengang an der Universität Köln viel gelernt über Marketing für soziale Einrichtungen und Projektmanagement - in der Theorie. Wochenlang diskutierte sie in Seminaren über diese Themen. Seit einem Semester wendet sie das erlernte Wissen nun auch praktisch an: Zusammen mit ihren Kommilitonen entwickelt sie Werbestrategien für die Theaterpädagogische Werkstatt (tpw) in Osnabrück.
Die tpw hat zum Beispiel das Theaterstück „Mein Körper gehört mir“ entwickelt. Zwei Millionen Grundschüler haben eine Aufführung inzwischen gesehen. Das Ziel des Theaterstücks: Die Prävention von sexuellem Missbrauch. Seit einem Semester ist Gesa Schlösser dabei. Zusammen mit ihren Kommilitonen überlegt sie, wie im Kölner Raum für die tpw Sponsoren gewonnen werden können und wie das Projekt an Kölner Grundschulen bekannter gemacht werden kann.
Zusammengekommen sind die Studenten und die tpw über ein Angebot der Universität Köln, das sich Service Learning nennt. Dahinter steckt ein pädagogisches Konzept, das ursprünglich aus den USA stammt. Der Gedanke dahinter: Die akademische Lehre wird mit gemeinnützigem Engagement verknüpft. Denn Studien zeigen: Wenden Studenten das Gelernte direkt an, erhöht sich der Lernerfolg.
Service-Learning-Seminare dauern in der Regel ein Semester. Parallel zu der praktischen Arbeit für das gemeinnützige Projekt besuchen die Studenten Lehrveranstaltungen an der Universität. In diesen bereiten sie gemeinsam mit einem Dozenten ihre Projektarbeit vor, erhalten entsprechende Arbeitsmaterialien und reflektieren die Ergebnisse. Anschließend können sie sich ihr Engagement als Studienleistung anrechnen lassen.
Für die Teilnahme an einem Service-Learning-Projekt veranschlagen die meisten Hochschulen zwischen 60 und 90 Stunden pro Semester. Die Vielfalt der Projekte ist groß: Studenten geben beispielsweise Flüchtlingen Deutschunterricht, konzipieren Webseiten für Senioren oder planen Beratungsangebote für Studienabbrecher.
So etwas gibt es inzwischen an einer ganzen Reihe von Hochschulen in Deutschland, wie eine Studie der Martin-Luther-Universität (MLU) Halle-Wittenberg von 2011 ergeben hat. Damals praktizierten 56 von 368 befragten Hochschulen Service Learning. Bei der Studie kam allerdings auch heraus: 44 Prozent der Rektoren hatten zu dem Zeitpunkt der Befragung noch nie etwas von dem Konzept gehört.
„Dabei ist die Idee so einfach wie genial“, sagt der Soziologe Holger Backhaus-Maul von der MLU. In Halle-Wittenberg selbst werden seit inzwischen fünf Jahren Service Learning-Projekte für Studenten angeboten. „Der Ressourcenaufwand, um entsprechende Seminare anzubieten, ist für die Hochschulen gering.“ Und die Studenten profitieren ungemein.
„Während des Studiums häuft man viel Wissen an. Doch das Wissen ist oft praxisfern“, sagt Wolfgang Stark, Professor für Organisationspsychologie und Organisationsentwicklung an der Universität Duisburg-Essen und Mitbegründer des Hochschulnetzwerks „Bildung durch Verantwortung“. In dem Netzwerk haben sich Hochschulen zusammengeschlossen, die bereits Service Learning praktizieren und dieses Konzept in Deutschland bekannter machen wollen.
Service-Learning-Seminare seien eine Möglichkeit, bereits erste Praxiserfahrung zu sammeln. Sie seien dafür oft besser geeignet als Praktika. Denn während Studenten in Praktika manchmal nur still beobachten dürfen und wenig Eigenverantwortung haben, sind sie beim Service Learning selbst aktiv. Außerdem erfahren die Teilnehmer beim Service Learning, was es bedeutet, die eigenen Kompetenzen für das Gemeinwohl einzusetzen. „Dieser Prozess der Wertevermittlung und Reflexion kommt im Hochschulalltag häufig zu kurz“, sagt Stark. Doch man brauche nur einen Blick in die Stellenanzeigen zu werfen, um zu sehen, dass heute nicht nur Fachkenntnisse gefragt sind. Ebenfalls von Interesse sind soziale Kompetenzen wie Einsatzbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein. „Arbeitgeber suchen Persönlichkeiten.“
Einmal die Woche treffen sich Gesa Schlösser und ihre Kommilitonen nun mit einem Mitarbeiter der Theaterpädagogischen Werkstatt und besprechen mit ihm ihre Ideen. Von der Projektarbeit profitieren beide Seiten: „Wir haben die Gelegenheit zu sehen, wie die Arbeit in solch einer Einrichtung funktioniert, und können Praxiserfahrungen im sozialen Marketing sammeln“, sagt die 26-Jährige. Die tpw wiederum schätze den objektiven Blick und die frischen Ideen der Studenten.