Urteil: HIV-Infizierte nicht allein wegen ihrer Krankheit kündbar

Erfurt (dpa) - Sind HIV-Infizierte ehrlich und legen ihre Krankheit offen, überstehen sie oft die Probezeit in Unternehmen nicht. Mit einem Urteil des obersten Arbeitsgerichts dürfte sich das jetzt ändern.

Das Bundesarbeitsgericht hat die Kündigung von HIV-Infizierten erschwert. Diese dürften nicht allein wegen ihrer Krankheit entlassen werden, entschied der Sechste Senat am Donnerstag (19. Dezember/6 AZR 190/12) in Erfurt. Eine HIV-Infektion sei nach den Gleichbehandlungsgrundsätzen einer Behinderung gleichzusetzen. Damit stünden die Betroffenen unter besonderem Diskriminierungsschutz. Dies treffe auch für die Probezeit zu. Ein Rauswurf wegen einer HIV-Infektion stelle somit eine unmittelbare Benachteiligung dar und sei daher unwirksam.

Über die Klage eines chemisch-technischen Assistenten entschieden die obersten Arbeitsrichter jedoch nicht. Sie verwiesen den Fall zurück an das Landesarbeitsgericht in Berlin. Das muss jetzt klären, ob die Kündigung gerechtfertigt war und dem Mann eine Entschädigung zusteht. Der Kläger war im Jahr 2010 von einem Arzneimittelhersteller für die Arbeit im Reinraum eingestellt worden. Als der Arbeitgeber jedoch von der HIV-Infektion erfuhr, kündigte er dem Mann noch während der Probezeit.

Das Unternehmen befürchtete, dass sich der Mann unbemerkt verletzen könne, da seine Arbeit auch den Umgang mit Glas und Aluminiumdeckeln erfordere. Der Betrieb stellt Krebsmedikamente her, die intravenös verabreicht werden. Arbeitgeber müssten zwar kein Infektionsrisiko tragen, befanden die obersten Arbeitsrichter. Jedoch hätten sie angemessene Vorkehrungen für die Beschäftigung von HIV-Infizierten zu treffen, etwa durch die Bereitstellung von Sicherheitshandschuhen und ähnlichem. Ob dadurch dem Kläger die Arbeit im Reinraum hätte ermöglicht werden können, muss jetzt noch einmal überprüft werden.

Das Humane Immunschwächevirus (HIV) ist der Erreger der Krankheit Aids. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts waren Ende 2012 rund 78 000 Menschen in Deutschland infiziert. Bundesweit gab es im vergangenen Jahr mehr als 3400 Neuinfektionen.