Wenn der Kommilitone grabscht: Sexuelle Belästigung im Studium
Bochum (dpa/tmn) - Blöde Anmachen oder eine Hand auf dem Knie - viele junge Frauen erleben sexuelle Belästigungen im Alltag. Auch an der Hochschule gibt es solche Übergriffe, wie aus einer Studie hervorgeht.
Doch viele der Opfer schweigen aus Scham.
Anzügliche Sprüche, Hinterherpfeifen und Grabschen - solche sexuellen Belästigungen erleben Frauen im Alltag immer wieder. Auch Studentinnen haben darunter zu leiden. Das belegt eine Studie der Ruhr-Universität in Bochum.
Per Online-Fragebogen wurden im Wintersemester 2010/2011 rund 13 000 Studentinnen an 16 Hochschulen zum Thema sexuelle Übergriffe befragt. Das Ergebnis: Jede Zweite (54,7 Prozent) gab an, schon einmal sexuell belästigt worden zu sein. Dabei passierten die meisten Übergriffe außerhalb der Hochschule. Rund ein Viertel der Betroffenen (28,7 Prozent) wurde allerdings auf dem Campus zum Opfer.
Die Palette der sexuellen Belästigungen ist breit: Am häufigsten berichteten die betroffenen Studentinnen davon, dass ihnen nachgepfiffen wurde (39,4 Prozent). Jede fünfte Betroffene gab an, dass ihnen jemand unnötig nahe kam (18,8 Prozent). Fast genauso viele mussten Kommentare über ihren Körper über sich ergehen lassen (18,3 Prozent). Jede Zehnte (9,3 Prozent) der Betroffenen wurde unfreiwillig geküsst oder betatscht.
Auch mit Stalking haben viele Studentinnen Erfahrungen gemacht: Zu diesem Thema beantworteten rund 11 500 Studentinnen den Online-Fragebogen. Von ihnen wurde jede Fünfte (22,8 Prozent) schon einmal gestalkt. Am häufigsten (14,2) berichteten die Betroffenen von Stalking per Telefon, SMS und E-Mail.
Im Vergleich zu den Erfahrungen mit sexuellen Belästigungen und Stalking sind Erlebnisse mit sexueller Gewalt selten. Dazu haben rund 11 100 Studentinnen Fragen beantwortet. Von ihnen waren 3,3 Prozent betroffen.
Die Täter sind nicht selten Kommilitonen. Beim Thema sexuelle Belästigung gaben mehr als ein Drittel der Betroffenen (37,6 Prozent) an, dass der Täter aus dem Umfeld der Hochschule kam. Fast immer war es in diesen Fällen ein Kommilitone (82 Prozent), nur selten (9,7 Prozent) ein Dozent.
Doch egal, ob Kommilitone, Dozent oder ein Täter aus dem privaten Umfeld: Studentinnen, die Opfer eines sexuellen Übergriffs werden, ziehen sich oft zurück. Viele Übergriffe zeigten die betroffenen Frauen nie an, sagt Katrin List, die an der Studie der Ruhr-Universität mitgewirkt hat. Viele der Betroffenen hätten Angst vor einem künftigen Umgang mit dem Täter.
Auch die Antidiskriminierungsstelle (ADS) des Bundes bestätigt, dass die wenigsten Betroffenen sich zu einer Anzeige durchringen können. „Übergriffe bleiben häufig ungeahndet, was entsprechende Gegenmaßnahmen erschwert“, heißt es etwa im Abschlussbericht des ADS-Projektes „Diskriminierungsfreie Hochschule“.
Doch auch wenn es vielen Opfern schwer fällt: Bei Übergriffen sollten die Studentinnen nicht tatenlos bleiben. Viele Opfer dächten sich zunächst „Das wird schon wieder“, erläutert Rüster vom Weissen Ring. Doch das sei die falsche Strategie. Je weniger Gegenwehr man dem Täter entgegenbringt, umso penetranter mache er oft weiter.
Bei obszönen Bemerkungen kann es die richtige Strategie sein, Täter direkt anzusprechen und Stellung zu beziehen. Gut sei auch, sich Freunden anzuvertrauen oder sich an eine Hilfsstelle der Universität zu wenden. „Es muss so schnell als möglich eine gewisse Öffentlichkeit hergestellt werden“, betont Rüster.