Wie werde ich...? Hausarzt/-ärztin
Berlin (dpa/tmn) - Das Medizinstudium ist lang. Für die Weiterbildung zum Hausarzt gehen noch einmal fünf Jahre drauf. Wer die Mühe auf sich nimmt, hat jedoch gute Chancen, später einmal eine eigene Praxis zu führen.
Viele kennen die Situation: Das Wartezimmer des Hausarztes ist bereits morgens um 8.00 Uhr gut gefüllt. Einen Termin gibt es erst wieder in acht Wochen, und mancherorts wird man als Patient gar nicht mehr angenommen. Vor allem im ländlichen Raum herrscht Ärztemangel. Junge Hausärzte sind deshalb sehr begehrt. Man könnte sogar sagen, sie werden verzweifelt gesucht.
Wer Hausarzt werden will, muss nach dem Medizinstudium eine Weiterbildung machen, die durch die Landesärztekammern geregelt ist. Sie gliedert sich in zwei Teile, erklärt Hans-Michael Mühlenfeld vom Deutschen Hausärzteverband. Zunächst arbeiten junge Ärzte für zwei bis vier Jahre in einer Klinik - mit Stationen in der Inneren Medizin, der Chirurgie, der Kinderheilkunde und anderen Bereichen. „Dort lernt man sehr viel über Medizin im strengsten Sinne“, sagt Mühlenfeld. „Wie ich zum Beispiel vorgehe, wenn jemand einen Herzinfarkt hat.“
Anschließend folgt eine zweijährige Weiterbildungszeit in speziellen Hausarztpraxen. „In diesen Lehrpraxen lernt man, den Menschen in seiner Gesamtheit mit seinen vielen körperlichen, aber auch psychosozialen Problemen zu sehen“, erläutert Mühlenfeld. Er bildet selbst in einer solchen Lehrpraxis in Bremen aus. Die Erfahrung im Umgang mit Patienten sei wichtig. „Das ist der Vorteil eines Hausarztes: Er kennt sowohl die Klinikebene als auch den ambulanten Bereich“, sagt er.
Die Zeit der Ausbildung mag lang sein, doch wer sie auf sich nimmt, hat gute Chancen, später eine eigene Praxis zu betreiben. „Wir schätzen, dass bis 2021 rund 51 000 Mediziner altersbedingt aus der Versorgung ausscheiden werden“, sagt Roland Stahl. Er ist Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahren besonders viele Haus-, Augen- und Hautärzte in den Ruhestand gehen.
Aber vor allem die Praxis auf dem Land gilt für viele wohl als unattraktiv, denn dort ist die Nachfrage besonders hoch. Der Verdienst sei nicht der Grund, sagt Stahl. Aus finanzieller Sicht sei die Landarztpraxis durchaus attraktiv. „Als Hausarzt, als Landarzt habe ich aber keinen Nine-to-Five-Job. Ich muss auch abends und am Wochenende raus.“
Junge Mediziner hätten das große Glück, dass sie sich aussuchen können, was sie später machen, sagt er. Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, Medizinstudenten so früh wie möglich mit der Niederlassung in einer eigenen Praxis vertraut zu machen. „Während des Studiums bekommen sie aber zu wenig mit von der ambulanten Tätigkeit“, sagt Stahl.
Laut Mühlenfeld gibt es an etwa einem Viertel der 36 Hochschulen mit Medizinstudium keine Lehrstühle für Allgemeinmedizin. „Wenn es dort aber keinen Lehrstuhl dafür gibt, können die Studenten die Allgemeinmedizin gar nicht richtig kennenlernen“, sagt Mühlenfeld. Zwar stehe Allgemeinmedizin auch dort auf dem Lehrplan, oft werde sie dann aber von Fachfremden wie Internisten unterrichtet.
An der Universität Göttingen gibt es ein Institut für Allgemeinmedizin. Gabriel Rogalli hat dort studiert. „Ich hatte einen sehr engagierten Professor. Der hat es geschafft, mich für die Allgemeinmedizin zu begeistern“, erzählt der 34-Jährige. Momentan ist er noch in der Weiterbildung. Ein Jahr fehlt ihm noch, dann ist er Facharzt für Allgemeinmedizin. Später würde er gerne eine eigene Praxis haben. „Aber nicht allein, sondern als Gemeinschaftspraxis mit drei oder vier Kollegen“, sagt er. Das habe mehrere Vorteile: „Vier Augen sehen einfach mehr als zwei. Und vom wirtschaftlichen Standpunkt ist es auch sinnvoll.“
Um Patienten in der eigenen Praxis behandeln zu können, brauchen Mediziner eine Zulassung als Vertragsarzt. Über diese entscheiden sogenannte Zulassungsausschüsse. Darin sitzen Vertreter der Kassenärztlichen Vereinigung und der Krankenkassen. Voraussetzung ist, dass es dort, wo der Arzt sich niederlassen lassen möchte, einen freien Arztsitz gibt. So soll eine Überversorgung mit Ärzten vermieden werden.
„Eine Niederlassung hat viele Vorteile: Man arbeitet eigenverantwortlich“, erklärt KBV-Sprecher Stahl. Wer nicht sofort in die wirtschaftliche Selbstständigkeit gehen möchte, könne sich in einer Praxis anstellen lassen - in einer sogenannten Eigeneinrichtung. „Das sind Praxen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen komplett einrichten und bei denen ein Arzt zunächst angestellt ist“, erläutert der Sprecher.
Wie aber lernt man den Umgang mit den Patienten? Als Hausarzt erfülle man oft nicht nur die Rolle des Mediziners, sagt Stahl. „Man ist auch Sozialarbeiter, Helfer und Tröster.“ Einfühlungsvermögen sei wichtig, sagt Mühlenfeld. „Nicht jeder ist als Hausarzt geeignet. Da gehören soziale Kompetenzen dazu“, sagt er. „Man muss zum Beispiel Nähe zulassen können.“ Denn manchmal sei man nicht nur Ansprechpartner für gesundheitliche Probleme. Bringt ein Arzt in Weiterbildung diese Grundvoraussetzungen mit, könnten sie im Umgang mit Patienten gefördert werden. „Sie lernen einmal, indem sie mich begleiten. Und dann, indem sie es selbst ausprobieren. Anschließend gebe ich ihnen Feedback.“
„Wenn man am Anfang selbst unsicher ist, gehört es dazu, den Patienten zu fragen, ob er alles verstanden hat“, sagt Gabriel Rogalli. Wichtig sei, dass man die Entscheidung gemeinsam mit dem Betroffenen trifft. „Man kann ihm auch anbieten, dass er noch einmal mit einem Facharzt sprechen kann.“ Im Idealfall sei man eine Vertrauensperson für den Patienten. Dass er Menschen über einen längeren Zeitraum begleiten könne, sei das Tolle am Beruf. „Man lebt ihr Leben ein Stück weit mit.“