Ehrenamt im Studium - Nicht nur für den Lebenslauf
Berlin (dpa/tmn) - Der Stundenplan ist voll und der Nebenjob aufwendig: Sich jetzt noch Zeit für ein Ehrenamt zu nehmen, ist bei vielen Studenten nicht drin. Wer sich trotzdem aufrafft, gewinnt mehr als einen Pluspunkt in der Vita.
Als 2009 tausende von Studenten gegen Studiengebühren protestierten, hielt es auch Christian Korff nicht mehr im Hörsaal. Zunächst diskutierte der heutige Masterstudent nur mit Kommilitonen über Studienbedingungen - dann organisierte er Demonstrationen mit. „So habe ich viele Leute kennengelernt, die sich an der Uni politisch engagieren“, erzählt Korff. Seit fünf Jahren ist er mittlerweile aktiv im Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Technischen Universität (TU) Berlin. Dort macht er zum Beispiel die Buchhaltung oder organisiert Kongresse und Workshops. „Durch mein Engagement habe ich ein ganz neues politisches Bewusstsein entwickelt“, sagt er.
Mit der Umstellung auf Bachelor und Master hatten manche mit einem Rückgang des freiwilligen Engagements an der Universität gerechnet. Die Studenten hätten nun kaum noch Zeit dafür, sagten Kritiker der Reform. Doch es ist anders gekommen. Nach wie vor zählen Studenten zu den engagiertesten Bevölkerungsgruppen, sagt Stefan Grob vom Deutschen Studentenwerk. Von Fachschaften bis zu Erstsemesterinitiativen gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich einzubringen. Jene, die mitmachen, profitieren häufig gleich mehrfach: Sie bewirken etwas Gutes, haben einen Hingucker im Lebenslauf und schulen nebenbei ihre Soft Skills.
Auch Buddy-Programme sind eine Möglichkeit, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sie bringen an vielen Hochschulen internationale und deutsche Studierende zusammen. Dabei betreut ein deutscher Student, ein sogenannter Buddy, einen Kommilitonen aus dem Ausland. Ziel sei, dass beide Seiten voneinander lernen, sagt Nhung Hong Do, Mitarbeiterin des Buddy-Programms der Universität Kassel.
Das hat auch Nicolas Schäfer. Der angehende Wirtschaftsingenieur entschied sich im ersten Semester für das Programm, weil er wenig Kontakt zu Studenten außerhalb seines Studiengangs hatte. Schnell lernte er zwei Kommilitonen aus China und Nigeria kennen. Fortan gehörten gemeinsame Mensa- und Cafébesuche zu Schäfers Alltag. „Ich habe einen Einblick in fremde Kulturen gewonnen“, erzählt er. Und sein Engagement kam ihm noch anders zugute: „Auch bei Bewerbungsgesprächen ist mein Einsatz positiv aufgefallen.“
Nur wegen des Lebenslaufs sollten Studenten sich jedoch nicht für ein Ehrenamt entscheiden, sagt Tom Schindler, Karrierecoach aus München. „Firmen finden freiwilliges Engagement zwar ganz nett“, sagt er. Doch ein tolles Praktikum im Ausland sei für sie häufig interessanter. Wer sich also nur mit dem Lebenslauf im Hinterkopf engagiert, ist auf der falschen Fährte. Anders werde ein Schuh draus: Durch das Engagement schulten viele ihre Soft Skills, was sich später wiederum im Job auszahle. Dazu gehörten etwa Fähigkeiten wie Teamgeist, Menschenkenntnis und Selbstvertrauen. Schließlich ist das Engagement eine gute Möglichkeit, die eigenen Interessen auszuloten und sich selbst auszuprobieren.
Wer bei einer Jugendorganisation einer etablierten politischen Partei engagiert ist, sollte das in Bewerbungen sagen, rät Schindler. Das gilt zumindest dann, wenn jemand voll und ganz hinter seinem Engagement steht. Dann sollte im Lebenslauf nicht nur nebulös „politisch engagiert“ stehen. „Das macht den Chef erst recht neugierig. Wenn schon, dann auch ruhig die Partei nennen“, sagt er.
Bei manchen Engagements haben Studenten auch die Möglichkeit, Credit Points zu erwerben. Beim Buddy-Programm in Kassel gibt es die Möglichkeit, ein Zertifikat als „Interkultureller Mentor“ zu erwerben. „Neben der Arbeit als Buddy müssen dann noch Zusatzkurse besucht werden“, erklärt Mitarbeiterin Nhung Hong Do.
Für den Erwerb eines Zertifikats hat sich auch Buddy Nicolas Schäfer entschieden. Ausschlaggebend für sein Engagement war die Möglichkeit jedoch nicht. Er hat auf ganz andere Art und Weise profitiert: Seine beiden Buddys haben ihn in ihre Heimatländer eingeladen. „Ich hoffe, dass ich bald nach China und Nigeria reisen werde.“