Zu klein fürs Cockpit? - Rechtsstreit endet mit Vergleich

Erfurt (dpa) - Seit fast drei Jahren hat eine knapp 1,62 Meter große Frau gegen die Lufthansa und ihre Flugschule prozessiert, weil sie für die Pilotenausbildung als zu klein abgelehnt wurde.

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Ein Urteil gab es am Bundesarbeitsgericht in Erfurt aber nicht. Vielmehr schlossen beide Seiten einen von den Richtern vorgeschlagenen Vergleich. Demnach zahlt Lufthansa der Frau 14 175 Euro Entschädigung.

Worum ging es im konkreten Fall?

Die heute 21-Jährige hatte sich bei Lufthansa für die Pilotenausbildung beworben und angegeben, sie sei 1,65 Meter groß. Diese Mindestgröße hat Lufthansa in einem Tarifvertrag vereinbart und sie ist auch in einer Betriebsvereinigung verankert. Die Frau bestand die ersten Tests, nach einem medizinischen Check bekam sie aber die Absage: Sie sei mit 161,5 Zentimetern zu klein. Sie wähnte sich daraufhin wegen ihres Geschlechts diskriminiert, weil Frauen im Schnitt kleiner sind als Männer und damit eher an der Mindestgröße scheiterten. Deswegen forderte sie Entschädigung und Schadenersatz, zusammen mindestens 135 500 Euro. Inzwischen studiert die Frau Volkswirtschaftslehre.

Warum hat das Bundesarbeitsgericht keine Entscheidung getroffen?

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte 2014 festgestellt, dass das Persönlichkeitsrecht der Frau fahrlässig verletzt und sie „mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt“ wurde. Eine Entschädigung oder Schadenersatz lehnte das Gericht jedoch ab (Az. 5 Sa 75/14). Es sei unstrittig, dass ein Pilot sitzend groß genug sein müsse, um ein Flugzeug sicher fliegen zu können, erklärte die Vorsitzende Richterin des 8. Senats, Anja Schlewing, nun in der mündlichen Verhandlung.

Doch sahen die Richter etliche Besonderheiten in dem Fall. Dabei ging es etwa um die Frage, ob die Festlegung auf 1,65 Meter angemessen oder willkürlich ist. Schlewing stellte klar, dass - egal wo die Grenze gezogen werde - letztlich Frauen immer stärker betroffen seien als Männer. Für eine Beurteilung, ob die Vorgabe angemessen sei, müssten unter Umständen Sachverständige eingeschaltet werden. Zudem deutete Schlewing an, dass der Senat einige Rechtsfragen dem Europäischen Gerichtshof vorlegen würde - mit entsprechend weiterer Verzögerung bis zu einer endgültigen Entscheidung. Angesichst dessen stimmten beide Seiten dem angebotenen Vergleich „schweren Herzens“ zu.

Gibt es solche Größenvorgaben nur bei Lufthansa?

Lufthansa-Piloten sind in der Vergangenheit schon mehrfach durch alle Instanzen gezogen, weil sie sich diskriminiert gefühlt haben. 2014 etwa wurde die Mützenpflicht für Piloten gekippt, die nur für Männer und nicht für Frauen galt (1 AZR 1083/12). Drei Jahre zuvor hatte der Europäische Gerichtshof eine Regelung moniert, wonach Piloten mit 60 in den Ruhestand gehen mussten - die Richter sahen darin eine Diskriminierung wegen des Alters (C-447/09). Mindestgrößen gibt es auch bei anderen Airlines, doch keine einheitliche Festlegung. Die Lufthansa-Tochter Swiss etwa setzt 1,60 Meter an, British Airways 1,57 und Air Berlin verzichtet ganz auf eine solche Vorgabe.

Muss die Lufthansa nun trotzdem ihre Auswahlkriterien ändern und die Pilotenausbildung umkrempeln?

Das tut sie ohnehin. „Ziel sind einheitliche Auswahlkriterien und Ausbildungsverfahren für alle Flugbetriebe der Lufthansa Group“, erklärte Unternehmenssprecher Helmut Tolksdorf. „Dabei werden alle Auswahlkriterien überprüft und bei Bedarf angepasst.“ Hintergrund ist ein insgesamt gesunkener Bedarf an Nachwuchspiloten. Deswegen wurde im vergangenen Jahr auch kein neuer Lehrgang angeboten. Der bis dato letzte Kurs ist 2014 gestartet mit etwa 150 Pilotenschülern.

Gibt es auch andere Berufe, für die Mindestgrößen gefordert sind?

Ja, etwa für Flugbegleiter, bei Zoll und Marine sowie für Polizisten. Bei der Polizei aber wird das sehr unterschiedlich gehandhabt. Einige Länder verlangen 1,65 Meter, andere 1,60 oder gar keine bestimmte Größe wie in Bremen. Allerdings geht es hierbei um Beamtenrecht, das Sache der Verwaltungsgerichte ist. So hat das Verwaltungsgericht Schleswig voriges Jahr einer Thüringerin eine Entschädigung zugesprochen, weil sie mit 1,58 Meter nicht zur Eignungsprüfung der Bundespolizei zugelassen worden war (12 A 120/14). Seit diesem Jahr verlangt die Bundespolizei nach eigenen Angaben keine Mindestgröße mehr.