BUND: Die meisten Spielzeuge sind belastet
Berlin (dpa) - Kleinkinder nehmen Spielzeug gern in den Mund - da auf diesem Weg schädliche Chemikalien aufgenommen werden können. Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) weist nach einer Untersuchung auf dieses Risiko hin.
Die Stichproben-Untersuchung des BUND ist alarmierend: Lediglich einer von neun getesteten Artikeln war frei von Weichmachern und anderen Schadstoffen. Geprüft hat der BUND Produkte aus Materialien wie Plastik, Textilien und Leder teils namhafter Hersteller: Spielzeug wie Figuren und ein Kostüm waren ebenso dabei wie Kinder-Badeartikel. Sie wurden meist in China und Indien produziert, aber hierzulande gekauft.
In fünf von neun Produkten beanstandet der BUND Weichmacher, sogenannte Phthalate, die etwa über den Mund und die Haut aufgenommen werden können. Den in der EU in Spielzeug verbotenen Weichmacher DEHP fand der BUND in einem Produkt mit einem Gehalt über dem Grenzwert von 0,1 Prozent. „Oft haben Hersteller wegen langer Lieferketten keinen Einblick“, sagte Kallee.
In „stark erhöhter“ Menge fand sich DEHP auch in einem Schnorchelset. „Das ist zwar nicht rechtswidrig, da das Produkt nicht als Spielzeug gewertet wird, sondern als Bedarfsgegenstand“, sagte Kallee. Aber: „Wir halten das für bedenklich, da der Schnorchel von Kindern in den Mund genommen wird.“ Die Gesetzlage sei nicht stringent. In sechs Produkten fanden sich zudem Spuren sogenannter polyaromatischer Kohlenwasserstoffe (PAK), die laut BUND krebserregend sein können.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) kann den BUND-Bericht nach eigenen Angaben nicht gesundheitlich bewerten. Dafür seien Messungen zu den freigesetzten Schadstoff-Mengen im Kontakt mit Speichel oder Schweiß unverzichtbar. „Nur die so freigesetzten Substanzen können tatsächlich vom Körper aufgenommen werden und hier gegebenenfalls gesundheitliche Effekte auslösen.“
Der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) bemängelte, dass der BUND eigene Kriterien abseits gesetzlicher Regelungen nutze. Hersteller führten bei der Entwicklung und darüber hinaus in der Regel „umfangreiche Tests durch, um die Qualität und Sicherheit ihrer Produkte sicherzustellen“. Allerdings gebe es wegen des globalen Markts neue Herausforderungen, wenn es darum gehe, unsichere Produkte aufzuspüren und aus dem Verkehr zu ziehen.
Deutschland hatte erst kürzlich einen Streit um Schadstoffe in Spielzeug verloren: Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) muss Deutschland die europäischen Schadstoff-Grenzen für Spielzeug anwenden. Konkret ging es um die drei Schwermetalle Antimon, Arsen und Quecksilber, die teils als krebserregend gelten oder zu Störungen des Nervensystems führen können.
Obwohl Grenzwerte bei der Stichprobe nicht immer überschritten wurden, befürchtet der BUND einen schädlichen „Cocktail“ durch verschiedene Alltagsprodukte. Das sollten Eltern wissen, um ihre Kinder zu schützen:
Wozu werden die Chemikalien benötigt?
Spröder Kunststoff wie PVC wird dadurch biegsam und griffiger, daher steckt der Weichmacher beispielsweise in vielen Kunststoffprodukten wie Folien, Fahrradgriffen oder Kabeln. Insbesondere der Weichmacher DEHP wurde lange Zeit häufig genutzt, ist inzwischen aber in Spielzeug verboten.
Wie landet DEHP im Körper?
Selbst Hausstaub enthält DEHP aus Bodenbelägen und Tapeten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nimmt an, dass der Stoff meist über den Mund aufgenommen wird, allerdings vor allem über Lebensmittel: Er kann aus Verpackungen ausdünsten.
Wie schädlich ist DEHP?
Die aufgenommenen Mengen sieht das BfR als so gering an, dass in der Regel kein Gesundheitsrisiko bestehe. Problematischer sei es für kleine Kinder: Sie nehmen viele Dinge in den Mund und können aus mehreren Quellen betroffen sein.
Was können Eltern tun?
Der BUND rät, bei Händlern und Herstellern nach gefährlichen Inhaltsstoffen zu fragen. Den eigenen Sinnen können Eltern ebenfalls trauen: Stark riechendes Spielzeug aus weichem PVC sollte gemieden werden - vor allem, wenn es sehr günstig ist.
Gibt es auch entsprechende Siegel?
Ja. Eltern können auf Prüfzeichen wie das GS- oder TooxProof-Siegel achten, die nur von unabhängigen Prüfhäusern nach erfolgreichen Tests vergeben werden dürfen, wie Ralf Diekmann vom Tüv Rheinland sagt.