Das digitale Baby: Wie Apps jungen Eltern helfen

Aachen (dpa/tmn) - Windel-Zähler, Stillzeit-Stopper, Gewichtsstatistik: Mit Apps können Eltern auf ihren Smartphones alles Mögliche festhalten. Was ihr Nachwuchs verbraucht, ob er zunimmt oder was er lernt.

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Anbieter der Apps werben sogar mit der Möglichkeit, eine „lückenlosen Statistik“ über das Kind erstellen zu können. Hebammen und Mediziner sehen die digitalen Tagebücher mit gemischten Gefühlen: Sie taugen zwar, um beispielsweise den Alltag mit einem Neugeborenen zu strukturieren oder Größe und Gewicht festzuhalten. „Echte Fragen sollten aber mit echten Menschen geklärt werden“, sagt Susanne Steppat vom Deutschen Hebammenverband.

Das Handy kann 24 Stunden am Tag befragt werden - Ärzte und Hebammen nicht. Schon während der Schwangerschaft können Frauen durch Info-Apps verfolgen, was in ihrem Bauch passiert. „Es besteht aber die Gefahr, dass sie dann beim Arzt weniger Fragen stellen“, sagt Steppat. Außerdem sei ein großer Teil der angebotenen Schwangerschaft-Apps von Firmen programmiert und deshalb vollgestopft mit Werbung. „Die Angaben, zum Beispiel darüber, wie groß ein Kind in einer bestimmten Schwangerschaftswoche ist, unterscheiden sich sehr in den Apps“, kritisiert die Hebamme.

Ist das Baby dann auf der Welt, können manche Apps aber auch zu nützlichen Helfern werden: Gerade beim ersten Kind können Eltern damit die Organisation rund um den Säugling gut im Blick behalten. „Man kann sich dadurch zum Beispiel besser merken, mit welcher Seite man aufgehört hat zu stillen“, sagt Steppat. Oder schnell nachsehen, wenn der Kinderarzt fragt, wie viele Windeln das Kind gebraucht hat. Für dringende medizinische Fragen seien die Apps aber auf keinen Fall geeignet.

Auf spezielle medizinischen Bedürfnisse ist die NeoApp der Deutschen Stiftung Kranke Neugeborene (DSKN) eingestellt. Sie unterstützt Eltern, deren Kinder zu früh geboren wurden. In der App können sie unter anderem Größe und Gewicht der Kinder notieren. Über sie lässt sich aber auch festhalten, ab wann das Baby selbst atmen kann oder keine Magensonde mehr braucht. Die Eltern sollen so am Anfang psychosozial unterstützt werden, erklärt DSKN-Sprecherin Anne Müller-Schuchardt. Und das auch nach der Entlassung aus der stationären Behandlung. Beim Wechsel in die ambulante Betreuung zu Hause, änderten sich die Herausforderungen, sagt Müller-Schurchardt.

Seinen Nachwuchs zu „tracken“, also die Entwicklung digital festzuhalten, findet App-Experte Urs-Vito Albrecht dann angebracht, wenn es einem medizinischen Zweck dient. So könnten zum Beispiel die Schlafparameter des Babys überwacht werden, wenn es ein Risiko für den plötzlichen Kindstod gebe, erklärt der Experte Peter L. Reichertz vom Institut für Medizinische Informatik.

Sonst sei es oft wie in anderen Bereichen des Alltags: „Was früher in der analogen Welt lief, wird heute auf digitale Helfer übertragen“, sagt Albrecht. Früher wurden Größenzuwachs und Datum am Türrahmen mit Bleistift markiert. „Wird so etwas nun per Smartphone dokumentiert, ist dies sicherlich genauso harmlos“, erklärt der Mediziner. Eine Überwachung durch Technologie könne unterstützend wirken. „Sie ist aber nicht primär das, was die Bedürfnisse des Kindes befriedigt.“ Eltern sollten sich deshalb immer mehr auf ihr Bauchgefühl verlassen.

Im Prinzip gilt das Gleiche, was Experten Eltern auch bei Postings in sozialen Medien nahelegen, wenn es um den Nachwuchs geht: Weniger ist mehr. Vor allem, wenn die Kinder noch nicht selbst „Ja“ und „Nein“ sagen könnten, sagt Albrecht.

Bei all den Möglichkeiten, die Tracking bietet, sollten Mütter und Väter sensibel mit den Belangen ihrer Kinder umgehen - vor allem wenn App-Anbieter vorschlagen, die Daten in Online-Speichern zu sichern. „Gerade bei ausländischen Anbietern ist nicht immer gewährleistet, dass hierbei deutsches Datenschutzrecht beachtet wird“, warnt Albrecht. Wird ein Anbieter aufgekauft, könne es gerade bei ausländischen Firmen vorkommen, dass Nutzerdaten und erfasste Gesundheitsdaten weitergegeben werden. Der Experte warnt davor, dass sich dadurch später Nachteile für den Nachwuchs ergeben könnten. Beispielsweise wenn es um Daten im Kontext bestimmter Erkrankungen beim Abschluss von Versicherungen geht.