Der richtige Umgang: Was Belohnungen für Kinder bedeuten
Fürth (dpa/tmn) - Zähne putzen, Zimmer aufräumen, den Tisch decken: Diskussionen um lästige Pflichten gehören in vielen Familien zum Alltag. Um Kinder zu unliebsamen Aufgaben zu motivieren, stellen Eltern häufig Belohnungen in Aussicht.
„Belohnungssysteme sind bei Eltern verbreitet“, erklärt Ulric-Ritzer Sachs von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. Denn dadurch lässt sich manche Diskussion umgehen. „Etwas zu belohnen macht außerdem Freude.“
Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen Belohnung und Bestechung, warnt er: „Wenn ohne eine in Aussicht gestellte Gegenleistung nichts mehr funktioniert, wenn ein Kind die Hand aufhält und fragt, was es für Dinge bekommt, die selbstverständlich sein sollten, läuft etwas schief.“
Wichtig ist, dass ein Belohnungssystem nur wenige Aufgaben umfasst, rät Ritzer-Sachs. Für ein oder zwei Alltagsaufgaben, die regelmäßig zu Stress führen, können Eltern ein Punkte-System aufstellen: Hängt das Kind regelmäßig seine Jacke auf und putzt ohne Stress die Zähne, sammelt es Punkte, für die es eine Belohnung gibt.
Auch bei der Art der Belohnung gibt es einiges beachten: „Zeit vor einem Bildschirm, also dem Fernseher, der Playstation oder dem Tablet sollte auf keinen Fall als Belohnung eingesetzt werden.“ Für diese Art der Beschäftigung sollte es feste Zeiten und Regeln geben. Besser als mit einem Belohnungssystem können Eltern ihre Kinder allerdings durch konstante Anerkennung zu unliebsamen Aufgaben bewegen, mein Ritzer-Sachs. „Wer kleine Erfolge lobt und Freude zeigt, wenn Alltagsaufgaben gut laufen, der motiviert sein Kind jeden Tag neu.“
Von einem Belohnungssystem mit materiellen Werten rät auch Familienberaterin Gabriele Setzwein ab: „Materielle Belohnungen haben eine geringe Halbwertszeit“, erklärt die Sozialpädagogin. Ein neues Spielzeug ist für die Eltern leicht und schnell zu beschaffen - die Freude darüber aber auch schnell wieder verflogen. „Die teuerste und wertvollste Belohnung ist gemeinsame Zeit mit den Eltern.“ Wer seinem Kind sagt: „Komm, wir räumen zusammen auf, und danach haben wir Zeit, etwas Schönes zu unternehmen“, der macht nicht nur die Pflicht angenehmer. Sondern er stellt eine Belohnung in Aussicht, die Zufriedenheit für beide Seiten verspricht.
Pflichten, die nichts mit dem Haushalt zu tun haben, sondern das Kind allein betreffen, sollten nicht Teil eines Belohnungssystems sein, meint Setzwein. Wenn es darum geht ein Instrument zu üben, Schularbeiten zu machen oder für eine Klassenarbeit zu lernen, sollten Kinder verstehen, dass sie diese Aufgaben für sich selbst und nicht für eine Belohnung erledigen. „Der Gedanke: Das tue ich für mich, ist die gesündeste Motivation, das gilt für jedes Alter“, erklärt Setzwein.
Belohnungssysteme sind mit Vorsicht zu genießen, meint auch Klaus Neumann vom Berufsverband Deutscher Psychologen. „Schon im Wort steckt die Krux - ein System ist etwas Künstliches.“ Doch Erziehung funktioniert nicht durch Taktik, sondern durch Vorleben, meint der Diplom-Psychologe. „Kinder vertrauen darauf, dass Eltern das Richtige tun - dieses Urvertrauen können Eltern in der Erziehung nutzen.“ Beim gemeinsamen Zähneputzen können Kinder sehen, dass die Mutter oder der Vater dieser Pflicht ebenfalls nachkommt.
Ein Belohnungssystem birgt außerdem die Gefahr, dass die Kinder die Preise hochtreiben, warnt Neumann. Eltern sollten lieber erklären, welche Vorteile das Kind hat, wenn es eine bestimmte Alltagspflicht erfüllt - und nicht, welchen Profit es aus der erledigten Aufgabe schlagen kann. Wer seinem Kind erklärt, dass es seine Sachen in einem aufgeräumten Zimmer besser wiederfindet, der macht den Nutzen erkennbar. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind seine Aufgaben von alleine erfüllt.