Die Babys sind los: Wenn die Freunde Kinder bekommen
Köln (dpa/tmn) - Früher schmiedete man mit den Freunden nächtelang Pläne, heute reicht ihre Aufmerksamkeit nur noch für Spucktuch und aufgeschürfte Knie. Kinderlose Paare haben da keinen leichten Stand.
Das andere Lebensmodell zu kritisieren, bringt aber wenig.
Wann die Freunde das letzte Mal bei ihnen zu Besuch waren? Da müssen Marie und Jonas* überlegen. Viele Paare in ihrem Bekanntenkreis haben mittlerweile Kinder - Marie und Jonas nicht. Deshalb laufen viele Treffen mit den Freunden so ab: „Wir fahren zu denen, dann sitzen alle in der Küche. Wohnzimmer geht nicht, weil das zu nah am Kinderzimmer ist. Dann wachen ja die Kleinen auf, wenn wir mal laut lachen“, erzählt Marie.
Doch all das sei gar nicht das Problem. Schwieriger sei es, immer wieder erklären zu müssen, warum sie und Jonas keine Kinder wollen. Kinderlose Paare haben es im Freundeskreis nicht leicht. Denn oft sind sie mit ihrem Lebensmodell in der Minderheit - zumindest, wenn Kinder auch später definitiv ausgeschlossen sind.
„Häufig gelten Paare ohne Kinder nicht als vollständig“, sagt Diplom-Psychologin Alexandra Miethner. Auf ihnen laste dementsprechend eine große Erwartung, die Lücke in ihrer Beziehung endlich zu schließen - ausgelöst durch Freunde, Familie, Kollegen.
Um mit neugierigen Nachfragen aus dem Freundeskreis zurechtzukommen, wann es denn endlich soweit sei, müsse jedes Paar seine eigene Strategie finden: „Bloß nicht provozieren lassen und cool bleiben“, rät Günter Keil, der ein Buch über gewollte Kinderlosigkeit geschrieben hat.
Die eigene Haltung zu Kindern können Paare in der Regel noch selbst bestimmen: Wie sich Freunde mit Nachwuchs verändern, haben sie dagegen nicht in der Hand. „Da wird man zwangsläufig Abstriche machen müssen“, glaubt Gerhild von Müller, Psycho- und Paartherapeutin in Köln. Mit der Geburt der Kinder drehe sich bei den Freunden gedanklich erstmal viel um durchwachte Nächte, die ersten Schritte und Fieberschübe. Deshalb müsse man aber seine Enttäuschung über die veränderte Beziehung nicht hinunterschlucken.
„Die Freundschaft läuft ins Nichts, wenn ich Konflikte nicht anspreche“, sagt Miethner. Kinderlose sollten dabei die Freundschaft in den Mittelpunkt rücken - und auf keinen Fall den Nachwuchs zum Thema zu machen. Allgemeinplätze wie „Ihr habt euch ja so verändert“ seien tabu. Besser sei es, zu sagen „Ich möchte euch nicht als Freunde verlieren“ oder „Es macht mich traurig, dass wir kaum noch Zeit für Gespräche haben“. Das lasse den befreundeten Müttern und Vätern die Möglichkeit, darauf einzugehen.
Kinderlose verfügen vor allem über etwas, das Eltern nicht haben: Zeit. Zum Beispiel um zu verreisen. Oder das Regenwochenende mit einem Buch im Bett zu verbringen. „Manchmal habe ich das Gefühl, dass bei unseren Freunden mit Kindern da Neid aufkommt“, sagt Marie. Um keinen Ärger zu provozieren, erzählen sie und ihr Mann deshalb schon gar nichts mehr von geplanten Reisen rund um die Welt.
Damit sei aber nichts gewonnen, findet von Müller. „Eine gute Freundschaft muss Reaktionen wie 'Habt ihr's gut, wir würden auch mal wieder gerne wegfahren' aushalten.“ Ein großes Stück voran kämen beide Parteien, würden sie sich gegenseitig die Nachteile ihres jeweiligen Lebensmodells eingestehen.
Einander zu zeigen, dass nicht alles rosig ist - egal, ob man sich für den Familienvan oder den Zweisitzer entschieden hat: Das kann die Freundschaft auf eine andere Ebene heben. Und neue Anknüpfungspunkte schaffen. „Jede Gruppe gewinnt und verliert durch ihren Entschluss für oder gegen Nachwuchs“, sagt Autor Keil.
In einigen Fällen scheint der Graben zwischen Kinderlosen und Paaren mit Kindern jedoch unüberwindbar. „Das, was die Freundschaft ausgemacht hat, kann verloren gegangen sein“, sagt Miethner. Vor allem wenn sie auf gemeinsamen Aktivitäten basierte, ist das wahrscheinlich. Mit dem Freund nächtelang an der Spielekonsole zu zocken, wird mit einem schreienden Kind im Nebenzimmer so gut wie unmöglich. Ein paar Freundschaften werden dabei auf der Strecke bleiben.
Manchmal liegt die Freundschaft aber nur eine Weile auf Eis - und taut wieder auf, wenn die Kinder älter geworden sind. „Als sie sich selbst beschäftigen konnten, wurde es besser“, sagt Jonas. Mit seinem Freund hat er sich neulich immerhin mal wieder für einen Abend an der Konsole verabredet. Nach 22.00 Uhr.
Literatur:
- Günter Keil/Gisela Bruschek: Generation Kinderlos. Jenseits von Zeugungsstreik und Gebärzwang, Pantheon, 144 S., 9,95 Euro, ISBN-13: 9783570550540.