Gefahr im Kinderzimmer: Mehr Hersteller sorgen vor
Nürnberg (dpa) - Es war der GAU für die Branche: 2007 mussten Hersteller massenhaft mit Blei belastetes Spielzeug zurückgerufen. Viele Firmen haben daraus gelernt. Dennoch finden sich in Ladenregalen noch Spielsachen, die eine Gefahr darstellen, urteilen Test-Institute.
Robert Ziegler löst die Sicherung der Kinderschaukel, der pendelnde Holzsitz knallt mit voller Wucht auf einen imitierten Stahl-Kinderkopf. Der darin versteckte Mess-Sensor lässt keinen Zweifel: Der Schaukelsitz ist mit 83-facher Erdanziehungskraft auf den Kinderkopf geprallt. „Das Kind hätte bei der Wucht sicherlich schwere Hirnschädigungen erlitten“, urteilt der Test-Ingenieur des TÜV Süd am Freitag (4. Februar) bei einer Vorführung auf der Nürnberger Spielwarenmesse. Zieglers Rat: Sicherer ist ein Schaukelsitz mit Gummidämpfung.
Auch knapp vier Jahre nach den spektakulären Rückrufaktionen von mit Blei belastetem Spielzeug mehrerer US-Hersteller aus chinesischer Produktion kommt bei der Spielwarenmesse kein Hersteller am Thema „Spielzeugsicherheit“ vorbei. Dafür sorgt allein schon die in diesem Jahr in Kraft tretende EU-Spielzeugrichtlinie, die Hersteller künftig zu mehr Vorsorge zwingt. Die erhöhten EU-Anforderungen an die chemische Unbedenklichkeit der Produkte treten allerdings erst nach einer Übergangsfrist im Juli 2013 in Kraft.
Dabei stellt nach Ansicht von TÜV Süd-Testingenieur Ziegler gerade die chemische Sicherheit von Spielwaren das Hauptproblem dar. Kopfzerbrechen bereiten den Testern vor allem sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) - Stoffe, die besonders häufig in schwarzen Gummiteilen stecken und krebserregend sind. In Spielzeug gelangen sie über sogenannte Weichmacheröle. Manche dieser Öle, die die Gummspielsachen geschmeidiger machen sollen, seien mit PAKs verunreinigt, erklärt Ziegler.
Namhafte Hersteller hätten inzwischen große Anstrengungen unternommen, um das Problem in den Griff bekommen, berichte der Test-Ingenieur. Probleme gebe es noch mit asiatischen Unternehmen, die unter großem Kostendruck stünden und zudem Subunternehmer beschäftigten. Zudem fehle es an gesetzlichen Grenzwerten für bedenkliche Stoffe und einheitliche Untersuchungsmethoden. Dies mache die Vergleichbarkeit und die internationale Anerkennung der Testergebnisse oft schwierig, erläutert der Fachmann.
Auch wenn Umweltschützer die EU-Spielzeugrichtlinie wegen der ihrer Ansicht nach zu hohen Grenzwerte immer wieder kritisieren, verbessert diese die Spielzeugsicherheit nach Einschätzung des Laborleiters Spielzeugprüfung beim Prüfinstitut Bureau Veritas, Bernd Elias, doch erheblich. So sollen Stoffe verboten werden, die im Verdacht stehen, Krebs zu erregen oder das Erbgut zu schädigen. Auch allergieauslösende Duftstoffe, Schwermetalle und gefährliche Chemikalien stehen auf dem Index. Außerdem sollen die Warnhinweise auf den Verpackungen verbessert werden. Strengere Vorschriften gelten auch für Einzelteile, die Kleinkinder verschlucken können.
Im Prinzip ist die Industrie gut auf die neuen Richtlinien vorbereitet. „Alle Leute, die sich damit auseinandergesetzt haben, wissen, was auf sie zukommt“, betont Elias. Es gebe aber auch Spielwaren-Hersteller, die anscheinend über die neuen Sicherheitsbestimmungen noch nicht so gut informiert seien. „Für die kann es noch Überraschungen geben.“
Zumindest bei den Großen der Spielwarenbranche scheint das Thema „Spielzeug“-Sicherheit“ weit vorne zu rangieren. So produziert der Fürther Spielwarenkonzern Simba Dickie nach Problemen mit belastetem Holzspielzeug seine Holzbauklötze wieder in Deutschland. Im vergangenen Herbst übernahm Simba Dickie dazu die Firma Heros im bayerischen Wald. Denn die in China verschifften Holzspielzeug- Lieferungen waren während des Transports häufig feucht geworden und dadurch mit Schimmel befallen. Das könne man sich bei Kleinkinderspielzeug, das in den Mund genommen werde, nicht leisten, meint Simba Dickie-Chef Michael Sieber.