Heim oder Haus - Pflegemöglichkeiten frühzeitig ausloten

Berlin (dpa/tmn) - Ältere Menschen sollten Gedanken an ein Pflegeheim nicht aus Angst auf die lange Bank schieben. „Viele sagen sich: Jetzt geht es doch noch“, sagt Dietlind Jander, Pflegedirektorin des Evangelischen Zentrums für Altersmedizin in Potsdam.

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„Gerade bei Krankheiten wie Demenz oder Parkinson sollten sie sich aber der Zukunft nicht verschließen.“ Auf körperliche Einschränkungen hingegen könnten sie sich oft auch in den eigenen vier Wänden einstellen.

Der Umzug in ein Heim fällt vielen älteren Menschen schwer, häufig zögern sie monatelang. „Das ist eine Trennung von der Gewohnheit, ein Abschied von einem Lebensabschnitt, verbunden mit Trauer und Gedanken an das endliche Leben“, erklärt Jander.

Viele fürchten, dass der Umzug unwiderruflich ist und fühlen sich machtlos, sagt sie. „Dann wird schon das Wort Heim zu einem ganz komischen Monster.“

Was nach Ansicht der Expertin des Evangelischen Zentrums für Altersmedizin hilft: Rechtzeitig die Möglichkeiten ausloten und nicht warten, bis es nicht mehr anders geht. Dann können die Betroffenen bewusst erste Kontakte im Heim knüpfen und die Umgebung kennenlernen, bevor eine Krankheit das erschwert.

Ein guter Indikator für den körperlichen Zustand ist für Jander die Frage, ob man sich noch allein etwas zu trinken holen oder Hilfe rufen kann. Klappt das, geht es auch bei körperlichen Gebrechen auch zu Hause oft noch ganz gut. „Vieles lässt sich in der eigenen Wohnung anpassen: Griffe neben der Toilette, ein Lift für die Treppe, mehr Platz für den Rollstuhl oder Essen auf Rädern“, sagt Jander.

Erst wenn der Kopf nicht mehr mitmacht, geht es zu Hause oft nicht weiter. „Wer fünfmal am Tag zum Bäcker geht und Unmengen Brötchen kauft, der kann ein Haus nicht mehr beherrschen.“ Solche und ähnliche Fälle erlebe sie immer wieder.

Auch für die Angehörigen wie die Kinder, die dann selbst oft schon um die 50 Jahre alt sind, ist das neue Verhältnis zu den pflegebedürftigen Älteren eine Herausforderung. „Die Kinder müssen die Entscheidung, ob sie einen Angehörigen selbst pflegen können, ehrlich und realistisch treffen, auch wenn sie ein schlechtes Gewissen haben.“

Oft übernimmt die Tochter die Pflege zusätzlich zu Job und eigenen Kindern. Für die kranke Mutter bleibt dann nur noch die kurze Mittagspause. Besser ist es in solchen Fällen, die Mutter im Heim zu unterstützen, wie Jander sagt. Das ist keine Selbstverständlichkeit.

Viele Angehörige machen wegen Gewissensbissen den Fehler, sich zurückzuziehen, wenn Mutter oder Vater erstmal im Heim leben. Dabei ist es zum Beispiel bei der Intimpflege psychisch für beide Seiten viel belastender, wenn ein Angehöriger sie übernimmt.

Jeder Pflegebedürftige sollte sich daher frühzeitig folgende Fragen stellen, rät Jander: Wie steht es um meine Gesundheit - auch in den nächsten Jahren? Ist meine Wohnung altersgerecht eingerichtet? Habe ich genügend Angehörige und Freunde um mich herum? Und wie bin ich bislang mit Krisen umgegangen? „Wichtig ist dabei, auch auf die Empfehlungen von Ärzten und Pflegekräften zu hören.“

Als Übergangslösung schlägt Jander betreutes Wohnen in Zimmern vor, die an ein Heim angedockt sind. „Vielen älteren Menschen hilft das. Denn die meisten sagen: Ich will wissen, wo ich alt werde, wo ich meine letzten Stunden verbringe und wo ich sterbe.“