Eine Brücke zum Sprechen Kitas arbeiten mit Gebärden
Bremen (dpa) - Wie bewegt man eine Horde Kleinkinder zum Aufräumen? Alina Uhlhorn und ihre Kolleginnen von der Kindertagesstätte St. Pius in Bremen versuchen es mit Singen: „Alle Kinder, Groß und Klein, räumen jetzt das Spielzeug ein!
“ Dabei führen sie die Hände vor ihren Körpern zusammen, als würden sie Spielsachen aufhäufen.
Die Knirpse schnappen sich Bälle und Autos, während die Erzieherinnen singend und gestikulierend durch sie hindurchschreiten. Innerhalb von Sekunden ist aufgeräumt, und die Kinder sitzen mit den Pädagoginnen im Kreis. „Jetzt wollen wir singen“, sagt Uhlhorn, wobei sie einen unsichtbaren Chor dirigiert.
Die 23-Jährige und ihre Kolleginnen nutzen ihre Hände, um zu unterstreichen, was sie zu den Kindern sagen. Dahinter steckt „Baby-Signal“. Die Methode verwendet Gebärden aus der Deutschen Gebärdensprache und ist laut Gründerin Wiebke Gericke für Kinder zwischen 6 und 24 Monaten geeignet.
Die Idee: Die Kleinen sollen sich, schon bevor sie sprechen, einfacher mitteilen können. „Wir nutzen Gebärden als Brücke zum Sprechen“, erklärt die Pädagogin. Seit 2005 bietet ihr Hamburger Unternehmen Kurse an, in denen Eltern und Kita-Personal Gebärden lernen. Essen, trinken, schlafen, aber auch Tiere oder Fahrzeuge lassen sich so ausdrücken - erst von den Großen, dann von den Kleinen. Die Idee stammt aus den USA, nun gibt es auch in Deutschland mehrere Anbieter solcher Kurse.
„Baby-Signal“ sei hauptsächlich im norddeutschen Raum verbreitet, sagt Gericke. Ein anderer großer Anbieter von Babyzeichen-Kursen ist „Zwergensprache“ von Vivian König aus Markranstädt bei Leipzig. Nach ihrer Aussage wächst die Nachfrage beständig. In Niedersachsen zum Beispiel haben sich Tagesmütter und Kitas unter anderem in Braunschweig, Wolfsburg und Osnabrück schulen lassen.
Auch in Bremer Kindertagesstätten kommen die Babygebärden zum Einsatz: In den öffentlichen Krippen der Hansestadt werde gebärdengestützte Kommunikation vermehrt angewandt, sagt die pädagogische Leiterin der Kita Bremen, Petra Zschüntzsch.
Bis die Kinder die Zeichen nachmachen, vergeht manchmal aber viel Zeit. Manche Kinder beobachten eine Gebärde einmal und kopieren sie sofort, andere schauen monatelang nur zu.
Im Singkreis in der Bremer Kindertagesstätte St. Pius machen fast alle Mädchen und Jungen mit. 20 kleine und 12 große Hände formen im Sekundentakt wechselnde Gesten. Ein blonder Junge, der auf einer Treppenstufe sitzt, wirbelt eifrig seine Fäuste durch die Luft und dreht dann die offenen Hände neben seinem Kopf zum „Tatütata“.
Die Lieblingsgebärde ihrer Schützlinge sei aber „Nochmal“, erzählt Erzieherin Uhlhorn und dreht den erhobenen Zeigefinger. Das sei unter den mehr als 100 Gebärden, die sie beherrscht, auch ihr Favorit: „Ich mag 'Nochmal' und 'Fertig' ganz gern, weil es sehr praktisch ist.“ Zu jeder Gebärde sagt sie immer auch das entsprechende Wort. „Die Sprache soll ja auch erlernt werden.“
Dass Gebärden die Sprachentwicklung sogar fördern, wie viele Anhänger glauben, ist indes nicht erwiesen. „Was man nicht sagen kann, ist, dass Kinder per se im Spracherwerb im Vorteil sind“, erklärt die Pädagogin Barbara Hänel-Faulhaber von der Universität Hamburg. Kinder ohne Beeinträchtigungen lernten die Sprache durch die Babyzeichen weder schneller noch besser. Aber: „Das ein oder andere kommunikative Missverständnis wird vielleicht über zusätzliche Gesten ausgeräumt.“
Die Eltern der St.-Pius-Kinder hätten das Konzept positiv aufgenommen, berichten die Erzieherinnen. „Baby-Signal“-Gründerin Gericke wirbt dafür, die Gebärdensprache auch zu Hause einzusetzen, denn die Kommunikation mithilfe von Gebärden bereichere die Beziehung zum Kind.