Lernspiele für Kinder sind kein Muss
Gießen (dpa/tmn) - Sie sollen die Intelligenz fördern und den Wortschatz vergrößern: Doch sind Lernspiele auch im Sinne des Kindes? Psychologen halten Alltagsgegenstände oft für das gelungenere Spielzeug.
In jedem Fall sollte Spielen Spaß machen.
Ob Albert Einstein wohl regelmäßig mit seinem Fuß gekreist hat? Oder wie ein Hase gehüpft ist? Solche Übungen sollen Kinder ab vier Jahren bei dem Spiel „Einstein Exercises“ des kanadischen Herstellers Roylco ausführen. Vom kindlichen Stress sollen diese Bewegungen befreien, gleichzeitig die Leistung in der Schule verbessern helfen und die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn steigern, heißt es auf der Spieleverpackung.
Apropos Gehirn: Bei den „Brain Molds“ glibbert ein aus Gelatine geformtes Gehirn vor sich hin. Kinder ab fünf Jahren können die Form mit verschiedenen Farben füllen, um etwas über die einzelnen Gehirnareale zu lernen. In der Kategorie Lernspiele erscheinen jedes Jahr neue Produkte auf dem Markt. Viele Eltern fragen sich angesichts der Masse an Produkten: Welches Lernspiel fördert mein Kind tatsächlich?
Aus entwicklungspsychologischer Sicht lernen Kinder beim Spielen automatisch etwas, zum Beispiel Regeln einzuhalten. „Die Trennung von Spielen und Lernen ist von Erwachsenen gemacht“, sagt Gudrun Schwarzer, Leiterin der Abteilung für Entwicklungspsychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Durch Spielen können Kinder außerdem Erlebtes verarbeiten. „Kinder finden per se alles interessant, auch Alltagsdinge, die Eltern in der Hand haben“, sagt Schwarzer. Dem schließt sich Donata Elschenbroich an: „In den Alltagsgegenständen steckt so viel Wissen. Spielzeug ist oft viel zu eindimensional, es ist schon fertig, und das Spiel im Voraus definiert“, erklärt die Kulturwissenschaftlerin.
„Eltern sind besonders empfänglich dafür, ihre Kinder schon im Vorschulalter zu fördern“, sagt der Entwicklungspsychologe Prof. Axel Schölmerich. Diese Einschätzung teilt Katja Nikisch, Pressesprecherin beim Spielehersteller Haba. Dort machen Lernspiele etwa 40 Prozent der Produktpalette aus: „Seit der Pisa-Studie achten die Eltern verstärkt darauf, dass ihre Kinder beim Spielen etwas lernen. Für uns ist das ein stetig wachsendes Segment.“
Prof. Schölmerich von der Ruhr-Uni Bochum sieht das kritisch: „Für Eltern ist es schwierig, eine Balance zu finden. Doch neben einer intellektuellen Unterversorgung gibt es auch eine Überstimulierung.“ Seiner Meinung nach sollten Spiele in erster Linie Spaß machen.
Um das richtige Spiel für ihre Kinder zu finden, sollten sich Eltern an deren Interessen orientieren. Dabei könne es aber nicht schaden, komplementär zu denken und Alternativen anzubieten. Prof. Schölmerich beschreibt das als „Blumenstrauß-Modell“: Interessiert sich das Kind zum Beispiel für Dinosaurier, kommt vielleicht auch ein Buch zur Geschichte der Evolution gut an.
Eine Garantie, damit richtig zu liegen, gibt es nicht: „Damit müssen die Erwachsenen dann leben, wenn ihr Angebot nicht akzeptiert wird“, sagt Schölmerich. Letztlich gehe es genau darum, findet Entwicklungspsychologin Schwarzer: „Lernspiele sollten ein Angebot sein. Werden Kinder mit einem Thema über die Grenzen getriezt, kann das noch als Erwachsener wie ein rotes Tuch sein.“