Mädchen in Gefahr: Expertin warnt vor „Loverboys“
Heidelberg (dpa) - Sie nähern sich ihren Opfern oft über das Internet: Kriminelle „Loverboys“, die sehr junge Mädchen verführen und zur Prostitution zwingen. Nach Angaben der ehemaligen Kriminalbeamtin Bärbel Kannemann suchen sie auch in Deutschland nach „Frischfleisch“.
Sie machen sich an junge Mädchen heran, umgarnen sie - und zwingen sie nach einer Vergewaltigung zur Prostitution: Sogenannte Loverboys sind inzwischen auch in Deutschland aktiv, betonte die ehemalige Kriminalkommissarin Bärbel Kannemann bei einem Vortrag am Donnerstagabend (18. November) in Heidelberg. „Seit einem Interview mit einem deutschen TV-Sender vor sieben Monaten haben sich bei mir über 30 hilfesuchende Mädchen und betroffene Eltern aus Deutschland gemeldet“, sagte die 62-Jährige. „Da die offizielle BKA-Statistik für die vergangenen zwei Jahre bisher nur drei Fälle aufweist, gehe ich insbesondere für Deutschland von einem großen Dunkelfeld aus.“
Eine niederländische Fernsehsendung hatte Kannemann 2004 auf das Thema gebracht. Nach der Sendung traf sie sich mit den Eltern einer 13-Jährigen, die mehrfach von einer Gruppe von Männern vergewaltigt worden war - gezwungen von einem jungen Mann, der dafür abkassierte. Kannemann begann zu dem Thema zu recherchieren und baute nach immer neuen Begegnungen mit Opfern die niederländische Hilfsorganisation „StopLoverboysNU“ auf. Weil sie inzwischen nach eigenen Angaben bedroht wurde, lebt sie an einem geheimen Ort in den Niederlanden.
Die Methode, „Frischfleisch“ für Freier zu organisieren, die sich für Mädchen zwischen 11 und 16 interessieren, unterscheidet sich nach Kannemanns Worten zwischen den Niederlanden und Deutschland kaum. Über Internet-Chats würden potenzielle Opfer zuerst ausgefragt. Nach drei bis vier Treffen unterbreite der „Loverboy“ in der Regel den Vorschlag, mit dem Auto zu einem Geburtstag zu fahren.
Doch das arglose Mädchen werde an einen abgelegenen Ort wie einen dunklen Parkplatz gebracht, wo schon Freier auf ihre Vergewaltigung warteten. Die Mädchen wehrten sich besonders aus Schamgefühl nicht und verheimlichten die Vergewaltigungen, zumal sie nach dem Motto „Dann weiß jeder, dass du die größte Hure der Stadt bist“ erpresst würden. Bei den Taten würden oft auch Bilder und Filme gedreht, mit denen die Opfer zur weiteren Prostitution gezwungen würden.
Obwohl Kannemann nach eigenen Angaben Opfer aus allen Schichten kennt, räumt sie ein, dass „sowohl Täter als auch Opfer überwiegend aus anderen Kulturkreisen kommen“. Deshalb sei vor allem für Mädchen und Eltern mit Migrationshintergrund in der Bundesrepublik eine Aufklärung wichtig. Das Delikt „Loverboy“ gebe es bisher auch nicht.
Der Geschäftsführer des Vereins Kommunale Kriminalitätsprävention Rhein-Neckar, Günther Bubenitschek, hält die „Loverboys“ für ein „Thema wie früher die häusliche Gewalt, über die zuerst auch niemand sprechen wollte und niemand etwas wusste“. Nötig sei eine Sensibilisierung der Bevölkerung und dass die Opfer bestärkt werden, sich zu melden, sagte Bubenitschek, der im Hauptberuf Leiter der Präventionsabteilung der Heidelberger Kriminalpolizei ist.