Nicht nur für Reiche: Mehr Deutsche nehmen Au-pairs auf

Bamberg (dpa) - Vier Zimmer im fünften Stock eines Altbaus. Hübsch, aber nicht pompös. Der Holzboden ist mit Spielsachen übersäht. Hier lebt Katharina Frisch mit ihrem vierjährigen Sohn Elijah - und einer jungen Italienerin.

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Katharina Frisch ist alleinerziehend und arbeitet im Schichtdienst.

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Wenn sie in der Arbeit ist, kümmert sich Francesca Righetti um Elijah - als Au-pair-Mädchen. Eine Option nicht mehr nur für Reiche. „Au-pair war früher das Privileg einiger Weniger, mittlerweile ist es aber in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, erklärt Cordula Walter-Bolhöfer vom Versicherungsunternehmen Dr. Walter, das kürzlich eine Umfrage in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis: Zwar sind noch immer mehr als die Hälfte der Menschen, die ein Au-pair bei sich aufnehmen, Besserverdiener. Doch auch Familien mit niedrigerem Einkommen leisten sich zunehmend die Unterstützung durch junge Menschen aus dem Ausland.

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Auch bei der Vermittlungsagentur AuPair-Connect.de seien immer mehr Familien aus der Mittelschicht unter den Kunden, sagt Betreiberin Sandrine Link. Außerdem meldeten sich vermehrt Alleinerziehende - wie Katharina Frisch im oberfränkischen Bamberg.

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Insgesamt ist die Zahl der Au-pairs in Deutschland im vergangenen Jahr um rund 1000 auf 12 000 gestiegen, wie aus der Umfrage hervorgeht. Gründe dafür sind Visa-Erleichterungen für Jugendliche aus Nicht-EU-Ländern, wie Walter-Bolhöfer sagt, aber auch neue Bedürfnisse aufseiten der Gastfamilien. „Viele Menschen haben heute flexiblere Arbeitszeiten als früher.“ Da brauche es auch flexible Lösungen in der Kinderbetreuung.

Laut Agenturchefin Link bewegen sich die monatlichen Kosten für die Aufnahme eines Au-Pairs normalerweise zwischen 500 und 600 Euro. Dabei schlägt das Taschengeld in der Regel mit 260 Euro zu Buche, etwa 40 Euro fallen für die Versicherung an. Auch für den Deutsch-Sprachkurs müssten sich Au-Pair Familien mit 50 Euro beteiligen. Alles was darüber hinaus an Verpflegungskosten anfällt, variiere von Familie zu Familie.

Wenn Katharina Frisch, die gerade ihre Facharztausbildung macht, wieder lange Tage oder Wochenenden in der Klinik verbringen muss, kümmert sich seit Anfang Januar Francesca Righetti um Elijah. Die 19-jährige Italienerin bringt den Kleinen dann zum Kindergarten, holt ihn ab, spielt mit ihm und kümmert sich nebenbei um leichte Hausarbeiten.

„Ohne Au-pair würde das überhaupt nicht funktionieren, ich finde keine Tagesmutter, die so flexibel sein kann wie Francesca“, sagt die 30-Jährige. Dadurch, dass Francesca bei ihr wohnt, könne sie neben ihrem Beruf auch einmal spontan etwas unternehmen und brauche nicht gleich einen teuren Babysitter. „Außerdem will ich, dass Elijah auch zu Hause aufwächst und nicht immer in irgendwelchen Einrichtungen ist.“

Mit dem Klischee der reichen Familie, die sich neben einer Haushälterin, einem Gärtner und einem Chauffeur eben auch noch ein Au-pair für die Kleinen leistet, hat der durchstrukturierte Alltag von Katharina Frisch wenig zu tun. Das Au-pair-Mädchen ist für sie kein Statussymbol, es soll auch nicht den Hauch der weiten Welt in die Familie bringen. Es geht ums Pragmatische: Auch wenn sie Taschengeld, Versicherung, Sprachkurszuschuss und Unterhalt zahlen muss - letztlich sei ein Au-pair die billigste und sinnvollste Lösung für sie, sagt Katharina Frisch. Auch wenn so am Ende des Monats nicht mehr viel übrig bleibt.

Auch Francesca Righetti kam zunächst aus pragmatischen Gründen nach Deutschland: Sie will Dolmetscherin werden, studieren und davor ihr Deutsch verbessern. „Ich habe sehr viel Glück gehabt“, sagt sie über das Verhältnis zu Katharina Frisch. Es werde viel gelacht, die drei verbringen viel Zeit gemeinsam.

Nicht immer verlaufen Au-pair-Aufenthalte so harmonisch. Es gebe Berichte über Familien, die Au-pairs ausbeuten und die gesetzlich vorgeschriebene Höchstarbeitszeit von 30 Stunden pro Woche überschreiten, erzählt Walter-Bolhöfer. Oft würden aber auch falsche Erwartungen geweckt, manche Au-pairs wüssten nicht, worauf sie sich einlassen und klagten dann über zu hohe Belastung: „Da müssen die Agenturen im Vorfeld genau aufklären, was auf die Bewerber zukommt.“

Katharina Frisch und Francesca Righetti haben sich ohne Agentur gefunden - über die Plattform „AuPairWorld“. Dort kann jeder ein Profil anlegen, Familien und Au-pairs werden dann wie bei einer Partneragentur gematcht. Für den Austausch der Kontaktdaten verlangt die Plattform einmalig rund 40 Euro. „Bei einer Agentur wäre ich gleich mehrere Hundert Euro losgeworden, das war mir zu heftig“, sagt Katharina Frisch. Bei Francesca habe sie sich auf ihr Bauchgefühl verlassen - und es habe geklappt.

Dennoch wird sie wohl im Juli - wenn sie die Station in ihrer Klinik wechselt, sich ihre Arbeitszeiten wieder normalisieren und Francesca Righetti zurück nach Italien geht - kein neues Au-pair bei sich aufnehmen. Denn bei aller Harmonie macht sie sich Sorgen um ihren Sohn. „Er baut da sieben Monate lang eine innige Beziehung zu einer Person auf, es gab nie Probleme - und auf einmal ist die weg“, sagt Katharina Frisch. „Wie soll er das denn verstehen?“