Senioren im Bundesfreiwilligendienst
Lübeck (dpa/tmn) - Viele Senioren engagieren sich ehrenamtlich. Der Bundesfreiwilligendienst bietet ihnen eine neue Möglichkeit. Eine Altersgrenze gibt es bei dem Nachfolger des Zivildienstes nicht. Und die Arbeit der Freiwilligen wird vergütet.
Mittags um halb eins ist Sabine Eichholz-Ouwerkerk meistens zum Kartenspielen verabredet. An drei Tagen pro Woche trifft sich die 64-Jährige mit einem ihrer Schützlinge. Sie arbeitet im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes (BFD) bei Marli, einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung in Lübeck.
Seit Juli 2011 hat der BFD den Zivildienst abgelöst. Die Einsatzorte der Zivis blieben jedoch erhalten und stehen nun nicht mehr nur jungen Männern nach dem Schulabschluss offen. Das Angebot richtet sich an Menschen jeder Altersklasse. Darin unterscheidet sich der BFD vom Freiwilligen Sozialen oder Ökologischen Jahr, das lediglich Ehrenamtlichen unter 27 Jahren offensteht. Beim BFD sind Senioren wie Sabine Eichholz-Ouwerkerk dagegen ausdrücklich willkommen.
Insgesamt knapp 27 000 Freiwillige, oft Bufdis genannt, haben bisher einen Vertrag unterschrieben. „Täglich kommen etwa 200 neue hinzu. Rund 20 Prozent der Bufdis sind älter als 27 Jahre, gehören also der neuen Zielgruppe an“, sagt Jens Kreuter, der das Programm im Bundesministerium für Familie, Senioren und Jugend betreut. „Es gibt allein vier Bufdis jenseits der 75.“ Sie hätten ihre Einsatzgebiete im Sport, im Sozialen und im Denkmalschutz gefunden - das spiegelt auch das Spektrum des freiwilligen Engagements wider.
Den Senioren stehen viele Optionen offen: Sie können alte und kranke Menschen betreuen, sich im Natur- und Tierschutz engagieren oder bei Bildungs- und Kulturprojekten mitwirken. Wer beispielsweise nicht mehr die Kraft habe, andere zu pflegen - etwa beim Einsatz in einem Krankenhaus - finde trotzdem Möglichkeiten, seine Erfahrungen einzubringen, so Kreuter. Außerdem würden sich viele Senioren für Gleichaltrige einsetzen.
Sabine Eichholz-Ouwerkerk arbeitet ein Jahr lang mit Behinderten bei Marli. Sie hat dort Verantwortung für 16 Personen. Für sie denkt sie sich allerlei Beschäftigungen aus: „Wir spielen, basteln, gehen einkaufen, kochen oder veranstalten Tanztees“, zählt sie auf. Eichholz-Ouwerkerk hatte, nachdem sie lange im Unternehmen ihres Mannes mitgearbeitet hatte, noch keine Lust, nur zu Hause zu sein. „Bis ich zu Marli kam, hatte ich keinen Kontakt zu behinderten Menschen. Für mich ist das eine ganz neue Aufgabe“, sagt sie. Eine jedoch, die ihr gut tue, „denn es kommt viel zurück.“ Der Bundesfreiwilligendienst ist für sie vor allem eine Möglichkeit, „im Alter etwas Sinnvolles zu tun“.
Das ist eine der häufigsten Motivationen, die Ältere dazu bewegt, sich ehrenamtlich einzubringen. Viele nutzen das Engagement vor allem in der Übergangszeit am Ende des Arbeitslebens. „Sie wollen nicht von 100 auf 0 herunterfahren, sondern erleichtern sich den Übergang in den Ruhestand, indem sie sich in Vollzeit oder Teilzeit als Bufdis betätigen“, sagt Kreuter.
Der Kreis der Engagierten reicht aber bis weit in das Rentenalter hinein. Oft steht der Wunsch im Vordergrund, gebraucht zu werden und etwas für die Allgemeinheit zu tun, anstatt daheim zu sitzen. Der Vorteil der Senioren: „Sie können viel Lebenserfahrung weitergeben“, sagt Kreuter.
Auf dieses Potenzial setzt auch die Stadt Ahlen. Sie hat eigens für die ältere Generation drei BFD-Stellen geschaffen. „Wir suchen einen älteren Bundesfreiwilligen, der sich für den Austausch zwischen den Generationen einsetzt. Ein weiterer Bufdi soll uns bei der Arbeit in der Landesarbeitsgemeinschaft der Seniorenbüros unterstützen, netzwerken und Sekretariatsarbeit leisten. Die dritte Stelle ist in der Seniorenarbeit vor Ort angesiedelt“, erläutert die Sozialplanerin Ursula Woltering. Man wolle Älteren die Möglichkeit geben, sich über das klassische Ehrenamt hinaus einzusetzen. „Der BFD ist zwar zeitlich intensiver, aber er bietet eine Aufwandsentschädigung, eine pädagogische Begleitung und über Seminare zusätzlich Möglichkeiten, sich themenspezifisch und nach eigenen Interessen weiterzubilden“, sagt Woltering.
Ältere, die sich engagieren möchten, müssen sich nicht notwendigerweise auf eine bestehende Stelle bewerben: Sie können auch eigene Ideen entwickeln und mit einer potenziellen Einrichtung in Kontakt treten. „Neue Einsatzstellen werden leicht anerkennt. Das Verfahren ist absichtlich einfach gehalten“, sagt Kreuter. Plätze finden interessierte Senioren darüber hinaus im Internet. „Mithilfe der Suchmaschine auf unserer Homepage kann man über eine Kartenfunktion straßengenau nach einem geeigneten Einsatzort suchen.“