Sinus-Jugendstudie: So ticken Deutschlands Teenager
Berlin (dpa) - Wie fühlen sie, die Jugendlichen in Deutschland? Sie alle spüren den wachsenden Druck, Leistung zu bringen, keine Zeit zu vertrödeln. Doch ihr Umgang damit ist höchst unterschiedlich, sagt eine neue Studie.
Politikverdrossen und wild auf Konsum? Oder total vernetzt und Öko-korrekt? Auch nach der neuen Sinus-Jugendstudie ist eines klar: „Die“ Jugend gibt es nicht. Zwar gibt es angesichts hohen Leistungsdrucks und einer unsicheren beruflichen Zukunft unter den 14- bis 17-Jährigen einen weit verbreiteten Wunsch nach Freundschaft, Familie und Sicherheit - und viel Pragmatismus. Aber die konkreten Lebenswelten unterscheiden sich in vieler Hinsicht immens: Das Spektrum reicht vom lifestyle- und erfolgsorientierten Networker über die anpassungsbereite, pragmatische Mitte bis hin zu sozial benachteiligten Jugendlichen, die sich auf dem Abstellgleis sehen.
„Da gibt es eine deutliche Abgrenzung aus der gesellschaftlichen Mitte nach unten“, bestätigte Studienautor Marc Calmbach am Mittwoch (28.3.). Im Bezug zur ersten, kleineren Sinus-Studie von 2008 sei diese Tendenz in der neuen Untersuchung stärker zutage getreten. „Wir fragen in den Interviews ja nicht bewusst danach, aber es gab viele Bemerkungen, die die Jugendlichen von sich aus machten“, berichtete Calmbach. Angst vor Überfremdung und eigenem Abstieg äußerten dabei vor allem die Jugendlichen aus der Mittelschicht. Sie werfen den benachteiligten Altersgenossen auch vor, nicht genügend leistungsbereit zu sein.
Nicht lange rumtrödeln, flexibel sein, den richtigen Zeitpunkt für die spätere Familienplanung erwischen - diesen Druck spüren alle Jugendlichen querbeet. Doch sie gehen höchst unterschiedlich und - mit Ausnahme der sozial Benachteiligten - in der Regel „erfolgsoptimistisch“ damit um, befanden die Autoren.
Steht bei den Experimentierern oder Lifestyle-Orientierten dann eher die Selbstverwirklichung im Vordergrund, so halten die „Sozialökologischen“ oder Konservativ-Bürgerlichen auch durchaus gesellschaftliche Verantwortung und Gemeinwohl hoch. Spontaneität ist der experimentierfreudigen Spaßfraktion besonders wichtig, während junge Konservative und die pragmatische Mitte oft schon sehr genau wissen, wie ihr Leben laufen soll.
Auch mit Blick auf Schule oder Politikinteresse sind die Vorstellung divers: „Wahlen ist ja Politik, deswegen können die ja auch nix verändern“, sagte eine 14-Jährige aus der konsumorientierten Gruppe. Eine 16-Jährige „Sozial-Ökologische“ meinte hingegen: „Das guck' ich mir dann genauer an, wofür die stehen, was die da vor haben, bevor ich da was ankreuz', was jeder ankreuzt.“
In Sachen Schule haben einige Jugendliche sehr konkrete Verbesserungsvorschläge und wünschen sich empathische, gerechte Lehrer. Desillusionierte Altersgenossen aus der prekären Lebenswelt hingegen benennen nicht mal Wünsche dazu. Calmbach: „Die stehen mit dem Rücken zur Wand.“
„Die Studie bestätigt, dass wir unbedingt Zielgruppen-spezifische Ansätze für Jugendarbeit und auch für die Vermittlung von Lernstoff brauchen“, betonte Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. „Viele Jugendliche stehen unter einem hohen Druck, ihr Leben immer früher planen zu müssen“, ergänzte Dirk Tänzler vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend. „Aber sie sollen nicht nur effizient und nützlich sein. Diese Studie ist auch ein Plädoyer dafür, Jugend einfach jung sein zu lassen.“