Theater für Babys: „Raum voll geballter Liebe“
Mannheim (dpa) - Eine immer wiederkehrende Melodie erfüllt den mit bunten Tüchern ausgehängten Raum. Über den Boden krabbeln Babys, vorbei an einem Mann am Cello und einer Frau mit Tenorblockflöte.
Ein Säugling bleibt an einem Glockenspiel sitzen, greift sich einen Schlägel und lässt Töne erklingen.
Eine Tänzerin wirbelt durch den Raum, stellt sich vor die Kleinen und imitiert deren Bewegungen und Laute. Manche sind noch nicht mobil und betrachten das Geschehen vom Schoß der Eltern aus, die es sich auf bunten Kissen gemütlich gemacht haben. Sie alle sind Teil des Baby Tanz Festes, eines Mannheimer Theaterstücks für Kinder zwischen acht Wochen und einem Jahr.
Theater für Babys - so etwas gibt es? Diese Frage hört Intendantin Andrea Gronemeyer selbst von vielen Theatermachern. „Im Kollegenkreis schauen sie uns immer an, als wären wir von allen guten Geistern verlassen“, sagt sie. Gronemeyer vom Kinder- und Jugendtheater Schnawwl schwärmt dann von dem „ästhetischen Ereignis“ für die Babys und deren Eltern. „Da ist solch eine geballte Liebe im Raum.“ Nur ganz selten einmal weine ein Kind - und dann eher, weil es zahne. Die Künstler gingen in dem Stück stark auf die kleinen Zuschauer ein, erzählt die Intendantin. „So sehen wir ja auch Kunst - als Kommunikation mit dem Publikum.“
Früher nahmen Eltern oft ihre Allerkleinsten mit ins Kindertheater, obwohl die Stücke noch gar nichts für sie waren. Da sei die Idee aufgekommen, Theater extra für Babys anzubieten, sagt Gronemeyer. Inspiration kam etwa von französischen Produktionen. Das Konzept gefällt: Bis heute gab es schon 100 Vorstellungen des Baby Tanz Festes.
Programm für unter Dreijährige böten inzwischen schon viele Theater in Deutschland an, sagt der stellvertretende Leiter des Kinder- und Jugendtheaterzentrums in Frankfurt am Main, Henning Fangauf. Bei den Babys sei Mannheim in Deutschland Vorreiter. Gut möglich, dass andere Häuser in den kommenden Jahren die Zielgruppe der Mini-Zuschauer ebenfalls für sich entdeckten. „Ich glaube schon, dass ein Dialog mit den Akteuren schon in diesem Alter möglich ist. In erster Linie ist es aber ein Kommunikationserlebnis zwischen Eltern und Kind.“
Klassikkonzerte für Babys sind im Gegensatz zu Theatervorstellungen in Deutschland schon weiter verbreitet. So bietet etwa die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter dem Motto „Große Musik für kleine Ohren“ Krabbelkonzerte an. Hier können bereits die Allerkleinsten mitkommen - und wenn nötig auch trinken oder schlafen.
Der Dialog zwischen Krabbelkindern und Tänzerin ist beim Baby Tanz Fest in Mannheim deutlich zu beobachten. Plumpst ein Kleines auf den Po, macht Janna Schimka die Bewegung nach, rudert es mit den Armen, tut die Tänzerin dasselbe. „Kommunikation ist über Gesicht, Hände, Wirbelsäule und Füße möglich“, sagt sie. „Ich nehme ihre unbewussten Bewegungen auf - durch diese Spiegelung werden sie ihnen bewusst.“ Schimka lässt die bunten Tücher, die von der Decke hängen, Wellen schlagen. Ein Baby krabbelt darunter, zieht selbst an einem Tuch.
Cellist Gregor Herrmann und sein Instrument finden einige Kleine besonders interessant: Sie klopfen darauf herum und ziehen sich daran hoch. „Das Beeindruckendste finde ich, dass man sehr schnell sieht, wie die Babys geprägt sind, ob sie Neues wie eine Bedrohung empfinden oder darauf freudig zugehen“, sagt der Musiker.
Baby Paul schaut anfangs noch etwas skeptisch und kuschelt sich in den Schoß seiner Mutter. Doch nach ein paar Minuten ist seine Neugier geweckt und er krabbelt in Richtung Raummitte. „Ich finde es total spannend zu beobachten, wie die Kinder mit den Musikern interagieren“, sagt die 29-jährige Katrin Holtz. Zum ersten Mal war sie mit Paul dabei, als er vier Monate alt war, nun kann er schon fast laufen. „Er ist jetzt viel aufmerksamer und traut sich viel mehr.“ Das Stück sei eine schöne Möglichkeit, Paul an Theater und Musik heranzuführen. „Ich finde die Atmosphäre sehr schön, heute war es aber fast ein bisschen zu wuselig.“
14 Babys sind diesmal dabei. 15 Kinder und ihre Eltern seien eigentlich die Grenze, sagt Cellist Herrmann. Sonst werde es schnell zu viel. „Der Aufwand ist natürlich sehr hoch, aber man kann es nicht für eine größere Gruppe machen.“