Trampen für Senioren: Mitfahrbänke auf dem Lande
Bitburg (dpa) - Salopp gesagt sind Mitfahrbänke so etwas wie die Seniorenvariante des alten Trampens: Statt mit erhobenem Daumen am Straßenrand zu stehen, können dort vor allem ältere Menschen auf eine Mitfahrgelegenheit warten.
Bundesweit greift der Trend der speziell gekennzeichneten Sitzbänke da um sich, wo der Bus nur noch selten fährt - oder gar nicht mehr. Aber nicht überall lassen sich die Menschen auf diese alternativen Haltestellen ein.
Mit Klappschildern statt auf einem Stück Karton kann die neue Generation der Tramper an den Bänken oft anzeigen, wo es hingehen soll. Statt Paris, Berlin oder München ist dies meist das Einkaufszentrum, der Bahnhof oder der Nachbarort.
Eigentlich entstand die Idee per Zufall, erzählt Ursula Berrens vom Caritasverband Westeifel im rheinland-pfälzischen Bitburg. Im Nachbarort Speicher war sie mit einem Projekt zur Verbesserung der Situation alter Menschen beschäftigt und wollte mit einer Kollegin Standorte für neue Bänke erkunden. „In dieser Situation kam mir die Idee, die Bänke auch für Mitfahrgelegenheiten zu nutzen.“
Im August 2014 ging es los. „Das Charmante an der Mitfahrbank ist, dass die Bank an sich niemals eine Fehlinvestition sein kann“, erklärt Berrens Eine Lösung aller Mobilitätsprobleme im ländlichen Raum sei sie allerdings auch nicht.
Die Erfahrung zeige, dass nicht jeder gleich schnell wegkomme von der Mitfahrbank. Zwei ältere Frauen zum Beispiel warteten eine ganze Zeit vergeblich und machten sich dann zu Fuß auf den Weg, erzählt Berrens. Als direkt danach zwei junge Mädchen die Bank ansteuerten, stoppten gleich zwei Wagen. Schwerer hatte es auch ein Mann, der mit einer offenen Büchse Bier auf eine Mitfahrmöglichkeit wartete. Die Mitfahrbank sei kein Massenverkehrsmittel, so Berrens. Sie führe aber mitunter dazu, dass sich Menschen für die nächste gemeinsame Fahrt verabreden.
Kopiert wurde die Mitfahrbank bereits in Kleinnaundorf in der Sächsischen Schweiz: Hier fiel eine Buslinie weg. Das trieb den Ortschaftsrat zur Suche nach anderen Verkehrsmöglichkeiten. Im Internet stieß er auf das Vorbild aus Rheinland-Pfalz. Vier grüne Bänke mit der Kennzeichnung „Mitfahrbank“ stehen jetzt an den Bushaltestellen in Fahrtrichtung zu den Einkaufsmöglichkeiten.
„Prinzipiell wird das gut angenommen, mehr in den Sommermonaten als im Winter“, sagt Ortsvorsteher Thomas Käfer. Gerade ältere Leute, bei denen es nicht auf zehn Minuten ankomme, steuerten die vom Heimatverein ehrenamtlich restaurierten Bänke an.
Im 400-Einwohner-Ort Bünsdorf in Schleswig-Holstein sollen die Bänke den Anschluss nach Rendsburg und Eckernförde herstellen und den nur an zwei Wochentagen fahrenden Marktbus ergänzen. Wie Bürgermeister Jens Kühne sagt, kommt das Angebot - das auch auf Jugendliche abzielt - bisher aber nicht so gut an. „Die Eltern haben Bedenken und fahren ihre Kinder doch lieber selber.“ Auch Senioren setzten sich nur selten auf die Bank. Der Bürgermeister will die Entwicklung abwarten. „Die Bank musste sowieso erneuert werden.“
Auch im niedersächsischen Asel im Kreis Hildesheim wurde eine bestehende Bank zur Mitfahrbank umfunktioniert. Nur will sie kaum einer nutzen. „Das läuft sehr schlecht an“, meint Ortsbürgermeisterin Ellen Krone. „Der Bedarf ist nicht so da.“ Harsum, der nächste Ort, sei nur rund einen Kilometer entfernt und leicht per Rad erreichbar. Auch würden Nachbarn einander mit dem Wagen mitnehmen. „Im Frühjahr wollen wir noch einmal für die Bank werben.“
Erfolgreich oder nicht, die Mitfahrbank findet immer mehr Nachahmer. Nicht weit von Asel steht in Osterwald (Kreis Hameln-Pyrmont) ein weiteres Projekt in den Startlöchern und hat auch im nordrhein-westfälischen Lügde im Kreis Lippe den Ratsherrn Hubert Klenner auf den Plan gerufen. „Lügde ist eine Flächengemeinde, die weiteste Entfernung zwischen den Ortsteilen beträgt 20 Kilometer und der Nahverkehr ist ausgedünnt.“ Auf das Konzept der Mitfahrbank gestoßen sei der Rat bei der Suche nach Wegen, die Ortsteile besser miteinander zu verbinden.
Auf solch zufällige Mitfahrgelegenheiten setzt das Forschungsprojekt „digitale Dörfer“ des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (Iese) in Kaiserslautern dagegen nicht. Es konzentriert sich stattdessen auf eine digitale Vernetzung auf dem Land. Wege, die Menschen ohnehin zurücklegen, sollen über eine App sichtbar und für andere nutzbar werden, als Mitfahrgelegenheit oder zum Transport von Waren. Die Bäcker oder Apotheker, die regelmäßig eine Strecke fahren, könnten als Chauffeure für autolose Nachbarn dienen. Das Ziel: Der ländliche Raum soll attraktiv bleiben.